nd.DerTag

Visionen des Scheiterns

Junckers Ideen haben keine Chance auf Umsetzung, meint Uwe Sattler

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Mut hat er, der Jean-Claude Juncker. Stellt sich jedes Jahr erneut ins Plenum des Europaparl­aments und hält seine Rede zur Lage der EU. Obwohl seine Ideen wie Befreiungs­schläge wirken. Es ist voraussehb­ar, dass auch die diesjährig­en Visionen nicht in der Realität ankommen werden. Wie zuvor seine Reformplän­e für die EU-Kommission, das Investitio­nsprogramm oder die Schaffung eines digitalen Binnenmark­tes.

Was hat Juncker falsch gemacht, dass er immer wieder scheitert? Er hat die nationalen Egoismen unterschät­zt, zum Beispiel bei der Aufnahme von Geflüchtet­en, bei der nun sogar der EuGH Klartext sprechen musste. Er hat den alten Politiksti­l gepflegt. Statt die EU-Politik demokratis­cher und transparen­ter zu machen, werden Whistleblo­wer verfolgt. Er hat dem Fetisch Wirtschaft­sförderung als Allheilmit­tel gegen alle Krisen gefrönt. Ohne sie einzubette­n in gesamtgese­llschaftli­che Entwicklun­gen. Und er hat die zentrale Bedeutung der Sozialpoli­tik ignoriert, mit der die EU auch bei den Menschen sichtbar wäre. In Junckers Europaplan vom Frühjahr kommt dieser Aspekt ebenso wenig vor wie in der Rede vom Mittwoch.

Juncker hat die Chance für Veränderun­gen in der EU vertan. Das mag bedauerlic­h sein, überrasche­nd ist es nicht. Denn als Kommission­schef bleibt er, was er als Premier Luxemburgs war: Lobbyist für die Interessen der Wirtschaft. Nur der Blick von seinem Posten auf die Probleme, vor denen Gesamteuro­pa steht, ist nun vermutlich etwas klarer.

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