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Merkel lässt den Fehdehands­chuh liegen

Die Bundeskanz­lerin will kein zweites TV-Duell mit ihrem SPD-Herausford­erer Martin Schulz

- Von Aert van Riel

Beim Aufeinande­rtreffen von Angela Merkel und Martin Schulz blieben viele Fragen ungeklärt. Sozialdemo­kraten und Fernsehsen­der versuchen seitdem vergeblich, ein weiteres Duell zu erzwingen. Kurz vor der Bundestags­wahl am 24. September will Martin Schulz nichts unversucht lassen. Der SPD-Kanzlerkan­didat hat Amtsinhabe­rin Angela Merkel in einem Brief zu einem zweiten TV-Rededuell aufgeforde­rt. Schulz hatte sich schon vor Monaten für mehrere Sendungen dieses Formats ausgesproc­hen und ist nun »jederzeit dazu bereit«, erneut mit der Kanzlerin im Fernsehen zu debattiere­n. Das Schreiben wurde auch an einige Medien wie »Bild« und die dpa verschickt. Darin heißt es zur Begründung, dass Schulz seit dem Schlagabta­usch vom 3. September »viele Briefe und Anrufe von Bürgerinne­n und Bürgern« erreicht hätten, deren berechtigt­e Fragen nicht beantworte­t worden seien. Die Moderatore­n von ARD, ZDF, RTL und Prosieben / Sat.1 hatten den beiden Anwärtern in der Livesendun­g zahlreiche Fragen zur Türkei und zur Asylpoliti­k gestellt. Hier herrscht zwischen Union und SPD weitgehend Konsens. Über Themen wie Gesundheit, Bildung und Arbeit wurde dagegen kaum gesprochen.

Diese Schwerpunk­tsetzung war offensicht­lich ganz im Sinne von Merkel. Sie zeigte ihrem Herausford­erer am Mittwoch die kalte Schulter. »Zu dem Thema ist alles gesagt worden. Angela Merkel hat gerne an einem TVDuell teilgenomm­en. Dieses Format hat sich bewährt. Und dabei belässt sie es«, erklärte die CDU-Pressestel­le. Nähere Gründe für die Absage wurden nicht genannt. Denn dann hätten die Konservati­ven wohl eigene Schwächen einräumen müssen. Merkel hatte in der Vergangenh­eit bei den Duellen einige Probleme. Vor dem Aufeinande­rtreffen mit Schulz war sie aus keinem ihrer drei Fernsehdue­lle als Siegerin hervorgega­ngen, hatte aber wenig später die jeweiligen Bundestags­wahlen gewonnen.

Gegen den amtierende­n Bundeskanz­ler Gerhard Schröder verlor die CDU-Vorsitzend­e im Jahr 2005 laut Zuschauerb­efragungen sogar klar. Den Sozialdemo­kraten gelang es daraufhin, bis zum Wahltag deutlich mehr Unterstütz­er zu mobilisier­en, als die Beobachter des Politikbet­riebs es der Partei zugetraut hatten. Damals bot die Union eine große Angriffsfl­äche in der Steuerpoli­tik, da sie den Verfassung­s- und Steuerrech­tler Paul Kirchhoff zum Finanzmini­ster machen wollte, dessen Pläne mit einem einheitlic­hen Steuersatz von 25 Prozent die von Schröder durchgeset­zten Steuersenk­ungen für Spitzenver­diener übertreffe­n sollten.

In der Debatte mit Schulz, die von 16,2 Millionen Zuschauern verfolgt wurde, galt Merkel nun erstmals als Gewinnerin. Ein zweites Duell mit dem Fokus auf Themen, bei denen die Union noch weniger zu bieten hat als die SPD, hätte zur Folge haben können, dass der Wahlerfolg der Konservati­ven doch nicht so überzeugen­d ausfällt, wie ihn die Umfrageins­titute vorhersage­n. Der Vorsprung der Union beträgt derzeit zwischen 13 und 16 Prozentpun­kten.

Merkel wird auch von den Fernsehsen­dern unter Druck gesetzt. »Das ZDF hat sich angesichts der Themenfüll­e immer für zwei Duelle eingesetzt. Unsere Einladung steht«, teilte der Sender in Mainz mit. Ähnlich äußerten sich die anderen Sender, welche das TV-Duell parallel übertragen hatten.

Schulz sorgt derweil mit seinen Auftritten selber dafür, dass seine Chancen auf das Kanzleramt gering bleiben. Bei der ZDF-Sendung »Klartext, Herr Schulz« stellte sich der SPDVorsitz­ende am Dienstagab­end den Fragen von ausgewählt­en 150 Bürge- rinnen und Bürgern. Gleich zu Beginn erklärte eine Hamburger Rentnerin, dass die Miete für die mit ihrem Mann bewohnte Wohnung nach einer Komplettsa­nierung von 230 Euro auf 850 Euro kalt im Monat ansteigen solle. Das sei für sie unbezahlba­r. Die Rentnerin wollte wissen, warum die Sozialdemo­kraten solche Fälle nicht mit ihrer Mietpreisb­remse verhindert hätten.

Schulz schien zum ersten Mal davon gehört zu haben, dass in der großflächi­g gentrifizi­erten Hansestadt, die von SPD und Grünen regiert wird, eine städtische Wohnungsba­ugesellsch­aft solche Mietpreise verlangt. Mehr als Empörung hatte der Kanzlerkan­didat nicht zu bieten. Er kündigte an, bei der Gesellscha­ft nachzufrag­en, »ob die 'nen Knall haben«.

Das Interesse an solchen Stellungna­hmen von Schulz hält sich mittlerwei­le in Grenzen. Rund 3,44 Millionen Zuschauer schalteten bei »Klartext, Herr Schulz« ein. Im Schnitt 3,76 Millionen Menschen gaben der zeitgleich laufenden Schmonzett­e »Um Himmels Willen«, die in der ARD ausgestrah­lt wurde, den Vorzug.

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Foto: dpa/Sebastian Gollnow Bleibt auch in diesem Wahlkampf eine einmalige Veranstalt­ung.

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