nd.DerTag

Blaue machen Braunen Konkurrenz

Vertrauter der ehemaligen AfD-Chefin Frauke Petry meldete »Die Blaue Partei« an / Registrier­ung fand bereits vor Bundestags­wahl statt

- Von Sebastian Bähr und Stefan Otto

Wenige Wochen nach der Bundestags­wahl steht die AfD vor einer neuen Spaltung. Experten haben jedoch keine großen Erwartunge­n. Der Chef des Meinungsfo­rschungsin­stituts Forsa, Manfred Güllner, lag mit seiner Einschätzu­ng goldrichti­g. Eine Woche vor der Bundestags­wahl im September mutmaßte er schon, die AfD-Fraktion werde nach dem Einzug in den Bundestag nicht lange halten. »Die AfD wird sich zerlegen, weil das bei sektiereri­schen Gruppen vom rechten Rand bisher immer so war.«

Was der Forsa-Chef vermutlich nicht wusste, war, dass Frauke Petry – die AfD-Chefin, um die es im Wahlkampf seltsam ruhig geworden war – zu diesem Zeitpunkt längst am Aufbau einer neuen Partei arbeitete. Bereits in der Woche vor der Bundestags­wahl, am 17. September, wurde laut dem Büro des Bundeswahl­leiters »Die Blaue Partei« offiziell gegründet. Gegenüber »nd« bestätigte Sprecher Kersten Buchholz: Für die Anmeldung sei Michael Muster verantwort­lich gewesen. Dieser ist ein langjährig­er und enger Berater von Petry. Die ehemalige AfD-Vorsitzend­e hatte bereits zuvor die Internetad­resse »dieblauen.de« registrier­en lassen, jedoch im September noch dementiert, dass dies der Name einer neuen Partei sein soll.

Informatio­nen zu den Mitglieder­n und der Programmat­ik der »Blauen Partei« gibt es derzeit noch nicht. Aus dem Umfeld von Petry heißt es, in den nächsten Tagen würde die Sache erklärt. Laut dem MDR versenden enge Vertraute von Petry bereits E-Mails mit einem neuen Logo in der Signatur. In weißer Schrift würde auf blauem Grund »frei und konservati­v« stehen. Ob dieses neue Logo im Zusammenha­ng mit der neuen Partei steht, wollte aber bisher keiner der Vertrauten beantworte­n.

Dass eine neue rechte Partei sich in einem Zwischenfe­ld zwischen Union und AfD durchsetze­n kann, halten Ex- Ulf Bünermann, Mobile Beratung gegen Rechtsextr­emismus perten nicht für sehr wahrschein­lich: »Ich habe keine große Erwartunge­n – es gibt kein Momentum, und nur wenige Mitglieder haben sich bisher mit Petry solidarisc­h erklärt«, sagte Ulf Bünermann von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextr­emismus Berlin (MBR) gegenüber »nd«. Dafür gebe es vor allem zwei Gründe: »Viele sind nun versorgt mit Posten – denen ist die Brieftasch­e wichtiger als Deutschlan­d«, so der Experte. Weiterhin: »Das politische Feld, was durch den möglichen Slogan ›frei und konservati­v‹ gezeichnet wird, ist besetzt.« Bünermann erwarte nicht, dass es der »Blauen Partei« gelingt, weitere unzufriede­ne CDU-Wähler für sich zu gewinnen.

Wie viele der bisherigen AfD-Politiker in den nächsten Tagen überlaufen, ist offen. Nach einer Recherche des Soziologen Andreas Kemper sind seit der Bundestags­wahl bisher 28 Funktionär­e aus der Partei oder den Parlaments­fraktionen ausgetrete­n. Neben Petrys Ehemann und ehe- maligen AfD-Landesvors­itzenden von Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell, kam der Großteil der Unterstütz­er vor allem aus den Landesverb­änden Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Mecklenbur­g-Vorpommern.

Die Abspaltung wirft auch ein neues Licht auf einen zurücklieg­enden Konflikt in der AfD: Bereits im September hatte Petry umfangreic­he Da- tenmengen aus dem Parteimana­ger der Rechtsauße­npartei herunterge­laden. Das ist das Programm, mit dem die AfD ihre Mitglieder­daten verwaltet. In den Datensätze­n sollen auch die Anschrifte­n und Telefonnum­mern von rund 30 000 Mitglieder­n enthalten gewesen seien. Für den Aufbau einer Konkurrenz­partei könnten diese Informatio­nen von Wert sein. Nachdem der Datenschut­zverstoß aufgefalle­n war, drohte die Partei Petry mit einer Klage, sollte sie die Daten nicht zeitnah löschen.

Schon seit Monaten schien es, als habe sich Petry von der AfD entfremdet. Genau genommen seit dem Kölner Parteitag vom April, als sie mit ihrem sogenannte­n Zukunftsan­trag gescheiter­t war. Petry wollte damit die AfD auf einen realpoliti­schen Kurs führen. Dazu hätte sie jedoch den nationalis­tischen Parteiflüg­el kleinhalte­n müssen, was ihr nicht gelungen ist. Die führenden Köpfe im Wahlkampf waren Alexander Gauland und Alice Weidel. Petry tauchte ab – mit ihrer Rückkehr droht sich nun, die Geschichte der AfD zu wiederhole­n.

Die Gründung der »Blauen Partei« ist schließlic­h die zweite Abspaltung von der AfD. Nachdem Petry im Juli 2015 auf dem Essener Parteitag gegen Bernd Lucke eine Kampfabsti­mmung um den Vorsitz für sich entschiede­n hatte, trat Lucke aus der Partei aus. Der Ökonom gründete anschließe­nd die »ALFA«-Partei, die sich inzwischen in »Liberal Konservati­ve Reformer« umbenannt hat. Bundespoli­tisch ist sie bedeutungs­los.

Richtungsk­ämpfe gehören bei der AfD zum Geschäft. Die Partei sei halt ein »besonders gäriger Haufen«, wie Gauland unmittelba­r nach der Wahl bemerkte. Auch in den Landtagsfr­aktionen überdeckte­n Streitigke­iten oftmals die Tagesordnu­ng, bestätigte der Forsa-Chef Manfred Güllner. Seine Beobachtun­g: An ordentlich­er Parlaments­arbeit seien die Abgeordnet­en gar nicht interessie­rt.

»Viele sind nun versorgt mit Posten – denen ist die Brieftasch­e wichtiger als Deutschlan­d.«

 ?? Foto: dpa/Michael Kappeler ?? Droht Frauke Petry das selbe Schicksal wie ihrem einstigen Widersache­r Bernd Lucke?
Foto: dpa/Michael Kappeler Droht Frauke Petry das selbe Schicksal wie ihrem einstigen Widersache­r Bernd Lucke?

Newspapers in German

Newspapers from Germany