Blaue machen Braunen Konkurrenz
Vertrauter der ehemaligen AfD-Chefin Frauke Petry meldete »Die Blaue Partei« an / Registrierung fand bereits vor Bundestagswahl statt
Wenige Wochen nach der Bundestagswahl steht die AfD vor einer neuen Spaltung. Experten haben jedoch keine großen Erwartungen. Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, lag mit seiner Einschätzung goldrichtig. Eine Woche vor der Bundestagswahl im September mutmaßte er schon, die AfD-Fraktion werde nach dem Einzug in den Bundestag nicht lange halten. »Die AfD wird sich zerlegen, weil das bei sektiererischen Gruppen vom rechten Rand bisher immer so war.«
Was der Forsa-Chef vermutlich nicht wusste, war, dass Frauke Petry – die AfD-Chefin, um die es im Wahlkampf seltsam ruhig geworden war – zu diesem Zeitpunkt längst am Aufbau einer neuen Partei arbeitete. Bereits in der Woche vor der Bundestagswahl, am 17. September, wurde laut dem Büro des Bundeswahlleiters »Die Blaue Partei« offiziell gegründet. Gegenüber »nd« bestätigte Sprecher Kersten Buchholz: Für die Anmeldung sei Michael Muster verantwortlich gewesen. Dieser ist ein langjähriger und enger Berater von Petry. Die ehemalige AfD-Vorsitzende hatte bereits zuvor die Internetadresse »dieblauen.de« registrieren lassen, jedoch im September noch dementiert, dass dies der Name einer neuen Partei sein soll.
Informationen zu den Mitgliedern und der Programmatik der »Blauen Partei« gibt es derzeit noch nicht. Aus dem Umfeld von Petry heißt es, in den nächsten Tagen würde die Sache erklärt. Laut dem MDR versenden enge Vertraute von Petry bereits E-Mails mit einem neuen Logo in der Signatur. In weißer Schrift würde auf blauem Grund »frei und konservativ« stehen. Ob dieses neue Logo im Zusammenhang mit der neuen Partei steht, wollte aber bisher keiner der Vertrauten beantworten.
Dass eine neue rechte Partei sich in einem Zwischenfeld zwischen Union und AfD durchsetzen kann, halten Ex- Ulf Bünermann, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus perten nicht für sehr wahrscheinlich: »Ich habe keine große Erwartungen – es gibt kein Momentum, und nur wenige Mitglieder haben sich bisher mit Petry solidarisch erklärt«, sagte Ulf Bünermann von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) gegenüber »nd«. Dafür gebe es vor allem zwei Gründe: »Viele sind nun versorgt mit Posten – denen ist die Brieftasche wichtiger als Deutschland«, so der Experte. Weiterhin: »Das politische Feld, was durch den möglichen Slogan ›frei und konservativ‹ gezeichnet wird, ist besetzt.« Bünermann erwarte nicht, dass es der »Blauen Partei« gelingt, weitere unzufriedene CDU-Wähler für sich zu gewinnen.
Wie viele der bisherigen AfD-Politiker in den nächsten Tagen überlaufen, ist offen. Nach einer Recherche des Soziologen Andreas Kemper sind seit der Bundestagswahl bisher 28 Funktionäre aus der Partei oder den Parlamentsfraktionen ausgetreten. Neben Petrys Ehemann und ehe- maligen AfD-Landesvorsitzenden von Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell, kam der Großteil der Unterstützer vor allem aus den Landesverbänden Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern.
Die Abspaltung wirft auch ein neues Licht auf einen zurückliegenden Konflikt in der AfD: Bereits im September hatte Petry umfangreiche Da- tenmengen aus dem Parteimanager der Rechtsaußenpartei heruntergeladen. Das ist das Programm, mit dem die AfD ihre Mitgliederdaten verwaltet. In den Datensätzen sollen auch die Anschriften und Telefonnummern von rund 30 000 Mitgliedern enthalten gewesen seien. Für den Aufbau einer Konkurrenzpartei könnten diese Informationen von Wert sein. Nachdem der Datenschutzverstoß aufgefallen war, drohte die Partei Petry mit einer Klage, sollte sie die Daten nicht zeitnah löschen.
Schon seit Monaten schien es, als habe sich Petry von der AfD entfremdet. Genau genommen seit dem Kölner Parteitag vom April, als sie mit ihrem sogenannten Zukunftsantrag gescheitert war. Petry wollte damit die AfD auf einen realpolitischen Kurs führen. Dazu hätte sie jedoch den nationalistischen Parteiflügel kleinhalten müssen, was ihr nicht gelungen ist. Die führenden Köpfe im Wahlkampf waren Alexander Gauland und Alice Weidel. Petry tauchte ab – mit ihrer Rückkehr droht sich nun, die Geschichte der AfD zu wiederholen.
Die Gründung der »Blauen Partei« ist schließlich die zweite Abspaltung von der AfD. Nachdem Petry im Juli 2015 auf dem Essener Parteitag gegen Bernd Lucke eine Kampfabstimmung um den Vorsitz für sich entschieden hatte, trat Lucke aus der Partei aus. Der Ökonom gründete anschließend die »ALFA«-Partei, die sich inzwischen in »Liberal Konservative Reformer« umbenannt hat. Bundespolitisch ist sie bedeutungslos.
Richtungskämpfe gehören bei der AfD zum Geschäft. Die Partei sei halt ein »besonders gäriger Haufen«, wie Gauland unmittelbar nach der Wahl bemerkte. Auch in den Landtagsfraktionen überdeckten Streitigkeiten oftmals die Tagesordnung, bestätigte der Forsa-Chef Manfred Güllner. Seine Beobachtung: An ordentlicher Parlamentsarbeit seien die Abgeordneten gar nicht interessiert.
»Viele sind nun versorgt mit Posten – denen ist die Brieftasche wichtiger als Deutschland.«