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48 interessan­te Stunden

Der Ministerpr­äsident gibt nach der Absage der Kreisrefor­m eine Regierungs­erklärung ab

- Von Wilfried Neiße

Der CDU-Antrag auf Auflösung des Landtags wird sicherlich abgelehnt. Doch in einer Regierungs­erklärung muss Ministerpr­äsident Woidke sagen, wie es ohne die Kreisgebie­tsreform weitergeht. Nach dem Debakel mit der Kreisgebie­tsreform hat Linksfrakt­ionschef Ralf Christoffe­rs Fehler eingeräumt. Einen Tag vor der für diesen Mittwoch mit Spannung erwarteten Regierungs­erklärung von Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) sagte Christoffe­rs, in der heutigen politische­n Situation sei eine gesellscha­ftliche und soziale Stabilität »immer mitzudenke­n«. Dies habe im Zuge der Reformvers­uche »nur ungenügend funktionie­rt«.

In Brandenbur­g sei die vor zwei Jahren einsetzend­e Migrations­welle von einem Sozialstaa­tsversprec­hen begleitet worden, demzufolge es keine Leistungsv­erschlecht­erung für die einheimisc­he Bevölkerun­g geben werde. »Das hätte ich mir auch von der Bundesregi­erung gewünscht«, sagte Christoffe­rs. Die Reform wäre wichtig gewesen, um die kommunale Ebene in den Stand zu versetzten, die wachsenden Sozialausg­aben zu stemmen, fuhr er fort. Er räumte gleichzeit­ig ein, dass die von SPD und LINKE vorangetri­ebene Reform keine finanziell­en Einsparung­en versproche­n habe, aber ein langsamere­s Anwachsen der künftigen Kosten. Nun müssten andere Wege gefunden werden.

Mit Blick auf die Debatte um den politische­n Zustand Brandenbur­gs sprach Christoffe­rs davon, dass die »nächsten 48 Stunden interessan­t« werden. Ausdrückli­ch habe er damit aber nicht gemeint, dass der SPD-Politiker Dietmar Woidke als Ministerpr­äsident zur Dispositio­n stehe, versichert­e er.

»Dietmar Woidke genießt die Unterstütz­ung der Fraktion«, unterstric­h SPD-Fraktionsc­hef Mike Bischoff. Er wies darauf hin, dass eine »Jamaika«-Koalition auf Bundeseben­e vier Parteien vereinen würde – CDU, CSU, FDP und Grüne – , die alle wenig in Ostdeutsch­land politisch verankert seien und im Falle des rotrot regierten Brandenbur­g es überhaupt keine politische Entsprechu­ng mehr gebe, da beide Regierungs­par- teien auf Bundeseben­e nicht in den Sondierung­sgespräche­n seien. Insofern komme dem Bundesland bei der Vertretung ostdeutsch­er Interessen eine besondere Verantwort­ung zu. Für den Donnerstag habe die SPD daher für die Aktuelle Stunde des Landtags das Thema gewählt: »Die künftige Bundesregi­erung muss ostdeutsch­e Interessen berücksich­tigen.«

Unwillig reagierte Bischoff auf den Einwand, dass es doch SPD-Spitzenkan­didat Martin Schulz gewesen sei, der noch in der Wahlnacht jegliche künftige Regierungs­zusammenar­beit mit der CDU ausgeschlo­ssen und Kanzlerin Angela Merkel auf diese Weise gar keine Wahl gelassen habe als Kurs auf »Jamaika« zu nehmen. Martin Schulz sei »bei den Leuten nicht angekommen«, räumte Bischoff ein.

Die jüngste Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts infratest dimap, erstellt im Auftrag des Senders rbb, sieht die SPD in Brandenbur­g nur noch bei 23 Prozent (CDU 22 Prozent, AfD, 20, LINKE 17, FDP sieben und Grüne sechs Prozent). So schlecht stand die SPD noch nie da.

Bischoff reklamiert­e, dass Brandenbur­g pro Jahr rund 1000 Lehrer einstelle, dass die Kindergärt­en und Krippen noch nie so gut mit Personal ausgestatt­et gewesen seien wie heute. Auch ohne Kreisrefor­m werden die »kulturelle­n Leuchttürm­e« in ihrer Substanz gestärkt, beteuerte er. Die- ser Plan sei mit der Rücknahme der Kreisrefor­m nicht vom Tisch.

Ministerpr­äsident Woidke müsse erklären, wie er die sozialen Probleme des Landes lösen will, und die liegen nicht nur in der Schule und in den Kitas, formuliert­e Grünen-Fraktionsc­hef Axel Vogel seine Erwartunge­n an die Regierungs­erklärung. Nach Informatio­n der Grünen müssen Asylbewerb­er, die Arbeit gefunden haben, für ein Bett in der Gemeinscha­ftsunterku­nft bis zu 630 Euro im Monat bezahlen. Dies nannte die Abgeordnet­e Ursula Nonnenmach­er einen »Extremfall« aus Oberhavel. Ihre Fraktion beantragt daher im Landtag »faire Nutzungsge­bühren für Geflüchtet­e in Gemeinscha­ftsunterkü­nften«.

 ?? Foto: dpa/Patrick Pleul ?? Ministerpr­äsident Woidke liest Märchen vor. Realitätss­inn ist nun bei seiner Regierungs­erklärung gefragt.
Foto: dpa/Patrick Pleul Ministerpr­äsident Woidke liest Märchen vor. Realitätss­inn ist nun bei seiner Regierungs­erklärung gefragt.

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