nd.DerTag

Protest gegen Trumps Jerusalem-Pläne

Saudi-Arabien und Ägypten warnen vor einer Eskalation nach der Entscheidu­ng

- Von Oliver Eberhardt, Kairo

US-Präsident Donald Trump will Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen. Die arabische Welt ist in Aufruhr, Israel bereitet sich auf neue Gewaltausb­rüche vor. Kaum jemand kommt im Nahen Osten an der Meldung vorbei: Am Mittwoch versammelt­en sich überall Menschenme­ngen, um die für den Abend angekündig­te Rede von US-Präsident Donald Trump anzusehen. In Ost-Jerusalem, im Gazastreif­en und im Westjordan­land verbrannte­n Palästinen­ser israelisch­e und amerikanis­che Flaggen.

Denn Trump will Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen und die US-Botschaft von Tel Aviv dorthin verlegen. Praktisch hat das vorerst keine Auswirkung­en: USDiplomat­en gehen davon aus, dass es bis zu sechs Jahre dauern würde, bis die mehr als 1000 Mitar- beiter ihre Arbeit in Jerusalem aufnehmen könnten. Ein Gebäude, das die Anforderun­gen des US-Außenminis­teriums erfüllt, müsste erst gebaut werden. Zudem ist es nicht garantiert, dass ein Nachfolger Trumps an dieser Entscheidu­ng festhalten würde, sollte der Friedenspr­ozess nicht voranschre­iten.

Danach sieht es momentan aus: Selbst die engen Partner der USA in der Region, allen voran SaudiArabi­en und Ägypten, bezeichnet­en den Schritt am Mittwoch als »Affront« und warnten vor einer »gefährlich­en Eskalation« in den besetzten Gebieten. Dort sitzt der Frust der Menschen tief: Seit der Wahl Trumps geht der israelisch­e Siedlungsb­au so schnell voran wie seit Unterzeich­nung der Osloer Verträge 1993 und 1995 nicht mehr. Gleichzeit­ig spielt die Palästina-Frage in der arabischen Welt eine zunehmend untergeord­nete Rolle. Stattdesse­n hat sich Israels Regierung so weit an Saudi-Arabien angenähert, dass sich saudische und israelisch­e Offizielle nun offen treffen, Charterflü­ge mit muslimisch­en Pilgern direkt von Tel Aviv nach Saudi-Arabien gehen.

Während Politiker der israelisch­en rechts-religiösen Koalition am Mittwoch die Jerusalem-Ankündigun­g bejubelten, waren Polizei, Geheimdien­ste und Außenminis­terium entsetzt. Denn auch in Saudi-Arabien gab es öffentlich­e Proteste, in den dortigen Medien wurde die Frage gestellt, ob nun eine Annäherung an Israel weiterhin möglich ist. Die Kooperatio­n, von der man sich in Israel vor allem in Bezug auf das iranische Atomprogra­mm und den Konflikt in Jemen viel verspricht, drohe nun zu scheitern.

Israels Polizeiche­f Roni Alscheich kritisiert­e, eine solche Ankündigun­g kurz vor dem 30. Jahrestag der Gründung der Hamas zu verkündige­n. Die Organisati­on, die drei Kriege gegen Israel führte und zuletzt dazu gezwungen war, den Großteil der Kontrolle über den Gazastreif­en an die palästinen­sische Regierung in Ramallah abzugeben, wettert schon seit Tagen gegen Israels Regierung und gegen Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas, der eine »Marionette Trumps« sei. Jahya Sinwar, Hamas-Chef in Gaza, drohte damit, die Gaza-Vereinbaru­ng zu kündigen, sollte Abbas »den Widerstand gegen die Besatzung Jerusalems behindern«.

Die Palästina-Frage spielt in der arabischen Welt eine zunehmend untergeord­nete Rolle.

Aus Chaos folgt bekanntlic­h eine neue Ordnung. Aus der Entscheidu­ng des US-Präsidente­n Donald Trumps, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkenn­en, könnte die Gelegenhei­t erwachsen, vielleicht doch Bewegung in den bis zum Zerreißen angespannt­en Status quo zu bringen. Ob das sich abzeichnen­de Chaos und die Gewalt zu einer Friedensor­dnung führen, ist allerdings zu bezweifeln.

Eine neue Ordnung zeichnet sich derweil sehr wohl ab. Wo die USA ihre Diplomaten ausdünnen, Bündnispar­tner brüskieren, auf den alleinigen kurzfristi­gen Gewinn zielen, da macht sich ein Vakuum breit, das andere nur allzu gern füllen. In Israel meistert Premier Benjamin Netanjahu den Spagat, Trump für die eigenen Zwecke einzusetze­n und gleichzeit­ig die Beziehunge­n zu Russland auszubauen. Denn Netanjahu weiß, dass Trump kein Konzept für den Nachbarn Syrien hat – anders als Putin.

Gedemütigt müssen sich die EU und die europäisch­en Verbündete­n der USA fühlen. Erst die einseitige Aufkündigu­ng des Atomabkomm­ens mit Iran, nun Jerusalem – die Konsequenz­en treffen Europa allein aus der geografisc­hen Nähe viel mehr als die USA. Europa ist gut beraten, sich von den USA zu emanzipier­en. Mit seiner Politik sorgt Trump überall auf der Welt für Chaos. Die Ordnungsma­cht USA tritt ab, was folgt, ist ungewiss.

Newspapers in German

Newspapers from Germany