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Steigende Kosten trotz leerer Betreuungs­plätze

Landesrech­nungshof rügt Finanzverh­alten im Falle der Jugendhilf­eheime Frostenwal­de und Liepe

- Von Wilfried Neiße

Die Jugendeinr­ichtung Frostenwal­de (Uckermark) dient der Unterbring­ung und pädagogisc­hen Betreuung straffälli­g gewordener Jugendlich­er. Die hohen Kosten, die sie verursacht, stehen in der Kritik. Nichts ist so gut, dass man nach einer bestimmten Zeit nicht doch noch einmal genau hinsehen sollte. Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser. Nach diesem Motto muss der Landesrech­nungshof verfahren. Ein Beispiel dafür ist die Vorzeige-Jugendeinr­ichtung des Justizmini­steriums in Frostenwal­de.

In Frostenwal­de werden seit 1994 straffälli­g gewordene Jugendlich­e zur Vermeidung von Untersuchu­ngshaft untergebra­cht und mit großem Aufwand pädagogisc­h betreut. 23 Jahre nach der Inbetriebn­ahme nutzt das Land Brandenbur­g selbst von einst 24 Plätzen nur noch drei, und die sind über einen längeren Zeitraum gerechnet nur zur Hälfte ausgelaste­t. Das Ministeriu­m plant jährlich 650 000 Euro für die Unterbring­ung kriminelle­r Jugendlich­er in dem Heim ein, obwohl es nur 347 000 Euro ausgibt. Die freien Kapazitäte­n werden vom Land Berlin genutzt. In 20 Jahren hat das Justizmini­sterium nie die von einem Trägervere­in erhobenen Kosten geprüft.

In einem ähnlichen Heim in Liepe (Barnim) reduzierte das Land in den Jahren 2012 bis 2016 die Belegung von zwölf Plätzen auf acht. Der Betreiber hob aber die Kosten für belegte und unbelegte Plätze an, sodass das Land trotzdem heute 23 000 Euro mehr zahlt als 2012. Achtmal mehr Insassen kommen nun aus Berlin. Für das Heim in Liepe stiegen die Kosten von 48 000 Euro je Haftplatz auf 71 000. Der Erfolg der Einrichtun­g wurde nie überprüft.

Der Landesrech­nungshof kommt daher zu dem Schluss: »Es ist dem Ministeriu­m noch nicht gelungen, auf den Rückgang des Unterbring­ungsbedarf­s ausreichen­d zu reagieren.« Bei weiter abnehmende­n Fallzahlen sollte der Ausstieg aus den Verträgen in Erwägung gezogen werden, heißt es. Das Justizmini­sterium zeigte sich in Grenzen reumütig. Zwar sieht es keine Möglichkei­t, auf die Einrichtun­g in Frostenwal­de zu verzichten. Doch wurde zugesicher­t, zu prüfen, ob die abgerechne­ten Kosten den tatsächlic­h anfallende­n Kosten entspreche­n. Das Ministeriu­m hält an der Auffassung fest, dass eine freihändig­e Vergabe des Betreuungs­auftrags aufgrund des »Alleinstel­lungsmerkm­als« geboten war. Das Alleinstel­lungsmerkm­al war die besondere Kompetenz des Trägers. Die Tatsache, das im Falle des Heimes Liepe keine externe Überprüfun­g stattgefun­den hatte, wurde mit der geringen Fallzahl begründet, die »keine valide Erkenntnis­grundlage« dargestell­t habe.

Die in Frostenwal­de untergebra­chten Jugendlich­en werden dort bis zu ihrer eventuelle­n Verurteilu­ng betreut, um eine förmliche Untersuchu­ngshaft zu vermeiden. Durch ein gutes Betragen konnten sie sich Pluspunkte in ihrem Strafverfa­hren erarbeiten. Nun aber ist die Zahl der Jugendstra­fverfahren im Land Bran- denburg massiv zurückgega­ngen. Im Jahr 2014 waren 6229 Fälle vor Jugendrich­tern der Amtsgerich­te eingegange­n. Im Jahr 2009 waren es noch 9692. Der Rückgang hängt damit zusammen, dass es viel weniger Jugendlich­e gibt als früher.

Vor rund zehn Jahren wurde darauf schon einmal reagiert. Das Heim in Frostenwal­de hielt von da an nur noch acht von einst 32 Plätzen vor. Bereits damals hieß es, trotz dieser Reduzierun­g werde die Auslastung des Heims »nur durch die Aufnahme von Jugendlich­en aus anderen Bundesländ­ern gewährleis­tet«. Die ursprüngli­ch rein brandenbur­gische Einrichtun­g genieße in anderen Bundesländ­ern wegen der geleistete­n pädagogisc­hen Arbeit einen guten Ruf.

Untersuchu­ngshaft gegen Minderjähr­ige darf nur verhängt und vollstreck­t werden, wenn ihr Zweck nicht durch eine andere Maßnahme erreicht werden kann. In Frostenwal­de herrscht das Prinzip »Menschen statt Mauern«. Betrieben wird das Heim vom Evangelisc­hen Jugend- und Fürsorgewe­rk (EJF).

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