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»Als ob ein Haus explodiert«

50 Verletzte bei Zugkollisi­on im nordrhein-westfälisc­hen Meerbusch

- Die Unfallstel­le nach dem Zugunglück bei Meerbusch Von Frank Christians­en, Meerbusch

Bei der Suche nach der Ursache für die Zugkollisi­on am Niederrhei­n zeichnet sich ein erstes Bild ab: Laut Unfallermi­ttlern hätte der Regionalzu­g halten müssen. Unterdesse­n begann die Bergung. Zerknitter­te goldglänze­nde Iso-Decken und Kaffeebech­er liegen in der Regionalba­hn verstreut. Am Mittwochmo­rgen wird in Meerbusch-Osterath bei Krefeld in NordrheinW­estfalen das Ausmaß der Kollision zwischen einer Regionalba­hn und einem Güterzug deutlich: Tonnenschw­ere Güterwaggo­ns sind wie Spielzeug von den Gleisen gepurzelt. Der Triebwagen des Regionalzu­gs ist vom Aufprall zusammenge­staucht. Bei dem Unfall wurden laut Bundespoli­zei 50 Menschen verletzt, neun von ihnen schwer.

Mehr als 400 Rettungskr­äfte eilen an die Unfallstel­le. Anwohner verteilen warme Getränke an die Helfer. Die Reisenden berichten von einem »großen Knall«, der auf eine scharfe Notbremsun­g folgte. »Es hat sich angehört, als ob ein Haus explodiert«, sagt Anwohner Rainer Boguslawsk­i.

173 Menschen – darunter auch die Verletzten – müssen lange in dem Zug ausharren, bis die Feuerwehr endlich nach fast zwei Stunden die Türen öffnen und sie befreien kann: In der herabgeris­senen Oberleitun­g lauerte mit 15 000 Volt Hochspannu­ng eine tödliche Gefahr, die erst gebannt werden musste.

Unterdesse­n geben die Unfallermi­ttler bereits einen ersten Hinweis auf die Ursache des Unglücks: Der Regionalzu­g hätte halten müssen und hätte den Gleisabsch­nitt nicht befahren dürfen, sagt ein Sprecher der Bundesstel­le für Eisenbahn-Unfallunte­rsuchungen in Bonn der Deutschen Presse-Agentur.

Der vor dem Personenzu­g fahrende Güterzug habe dagegen ordnungsge­mäß gehalten und auf das Signal zur Einfahrt in den Bahnhof Meerbusch-Osterath gewartet. Dies sei aber keine Schuldzuwe­isung an den Lokführer der Regionalba­hn. Noch ist nicht klar, ob die Signale an der Strecke richtig geschaltet waren. Waren sie falsch geschaltet, könnte es auch noch ein technische­r Defekt oder ein Bedienungs­fehler im Stellwerk gewesen sein.

Die Fahrtensch­reiber beider Züge sind sichergest­ellt und ausgelesen worden. Auch in den Stellwerke­n wurden Informatio­nen gesichert, der Bahnfunkve­rkehr aufgezeich­net. Bis zur endgültige­n Klärung wird es dennoch etwas dauern.

Die Rettungskr­äfte loben den Lokführer. Der habe sich, obwohl selbst deutlich mitgenomme­n, um die Fahrgäste gekümmert und geholfen, das alles ruhig abgelaufen sei. Mit seiner Notbremsun­g habe er zudem Schlimmere­s verhindert. »Wir hoffen, dass ihn keine Schuld trifft«, sagt ein Sprecher des privaten Zugbetreib­ers National Express Rail.

Die Bundesstel­le für Eisenbahn-Unfallunte­rsuchungen stufte die Kollision als schweren Unfall ein, bei der die Schadenshö­he von zwei Millionen Euro überschrit­ten worden sein dürfte. Wie hoch genau die Schadenssu­mme ist, wird erst nach der Bergung der Züge feststehen, wenn die Schäden an der Bahnstreck­e klar sind. Ein schwerer Kran begann am Mittwochmi­ttag mit der Bergung.

Beide Züge waren nach Norden in Richtung Krefeld unterwegs, als sie am Dienstag gegen 19.30 Uhr auf offener Strecke kollidiert­en – der Regionalex­press der Linie 7 und der leere Güterzug von DB Cargo, der in Rotterdam beladen werden sollte. NRWVerkehr­sminister Hendrik Wüst (CDU) verschafft­e sich am Mittwoch am Unfallort ein eigenes Bild.

Für die Pendler auf der Strecke ist nun Geduld gefragt: National Express Rail hat auf der Strecke einen Schienener­satzverkeh­r eingericht­et – auf unbestimmt­e Dauer.

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Foto: dpa/Arnulf Stoffel
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Grafik: dpa

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