nd.DerTag

Erziehung zum Narzissmus

Jürgen Amendt über das falsche Sicherheit­sgefühl von Eltern

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Es ist ein Paradoxon: Je sicherer der Alltag für Kinder in dieser Gesellscha­ft wird, je geringer die Gefahr für sie ist, Opfer einer Straftat oder eines Verkehrsun­falls zu werden, desto ängstliche­r sind viele Eltern um Sicherheit und Gesundheit ihrer Kinder besorgt.

Dabei ist diese Ängstlichk­eit kein Phänomen, das in allen sozialen Schichten gleichmäßi­g vorkommt. Überbehüte­nde »Helikopter-Eltern«, die ihren Kinder die Hausaufgab­en machen, sich bei jedem Elternaben­d über die ihrer Meinung nach ungerechte Bewertung ihrer Kinder empören und über Unterricht­skonzepte, pädagogisc­he Lehrmeinun­gen und bildungspo­litische Debatten besser Bescheid wissen wollen als die Lehrerinne­n und Lehrer, trifft man ausschließ­lich in den gut situierten, meist akademisch­en Mittelschi­chtmilieus an. Dass sie ihren Nachwuchs selbst für kurze Strecken von kaum einem Kilometer lieber mit dem Auto zur Schule bringen als ihre Kinder zu Fuß gehen zu lassen, ist da nur konsequent.

Die Maßnahmen von Schulleitu­ngen dagegen verpuffen auch deshalb, weil ihnen das Auto mehr ist als ein Fortbewegu­ngsmittel; es wird als privater Schutzraum betrachtet, quasi als Ausweitung der eigenen vier Wände in den öffentlich­en Raum. Ihre eigenen Kinder erziehen sie damit zu Narzissten. Narzissten haben wir in unserer Gesellscha­ft aber schon genug.

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