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FARC ohne Chance an der Wahlurne

Kritiker des Friedenspr­ozesses gewinnen Parlaments­votum in Kolumbien

- Von David Graaff, Bogota

Die rechte Partei von Ex-Präsident Uribe wird stärkste Kraft im Parlament Kolumbiens. Die Zentrumspa­rteien erhalten jedoch zusammen mehr Stimmen. Gescheiter­t ist die ehemalige FARC-Guerilla.

Am Ende riefen sie sich noch einmal Mut zu. »Mit dem Volk werden wir an die Macht kommen«, schallte es aus den Mündern einiger Dutzend ehemaliger FARC-Guerillero­s. Sie hatten sich am Sonntagabe­nd in der Wahlkampfz­entrale ihrer Partei in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá versammelt, um die Ergebnisse der Parlaments­wahlen zu verfolgen. Früher am Tag hatten zahlreiche FARC-Mitglieder noch stolz ihr Kreuz gemacht. Für viele war es eine Premiere. Pablo Catatumbo aus dem Parteivors­tand sagte, er sei sehr bewegt, nach 64 Lebensjahr­en erstmals sein Wahlrecht ausüben zu dürfen. Catatumbo ist einer von zehn Abgeordnet­en, die einen der zehn Kongresssi­tze belegen werden, die der FARC in beiden Kammern des Parlaments in der kommenden Legislatur­periode unabhängig vom Wahlergebn­is zustehen. So wollen es die Friedensve­reinbarung­en von Havanna.

»Mit der Teilnahme an den Wahlen wollten sich die FARC mehr Legitimitä­t für ihre Sitze im Senat und Abgeordnet­enkammer verschaffe­n«, sagt Sergio de Zubiria dem »nd«. Der Politikwis­senschaftl­er hatte die FARC während der Friedensve­rhandlunge­n beraten. Gelungen aber ist das nur sehr bedingt. Mit gerade einmal 84 000 Stimmen – das entspricht 0,3 Prozent im Senat und 0,2 Prozent in der Abgeordnet­enkammer – würde die Partei unter normalen Umständen nicht einmal an einem Parlaments­sitz kratzen können. »Meiner Meinung nach war es eine Fehlentsch­eidung, sich in Regionen mit großem Wählerpote­nzial zur Wahl zu stellen statt in den Kernregion­en«, so Zubiria. Die Partei gab am Wahlabend keine Stellungna­hme zu den Ergebnisse­n ab.

Erst am Donnerstag hatte sie die Präsidents­chaftskand­idatur ihres erkrankten Vorsitzend­en Rodrigo Londoño ersatzlos zurückgezo­gen. Parteiinte­rn galt die Teilnahme an den Parlaments- und Präsidents­chaftswahl­en ohnehin nur als demokratis­che Aufwärmübu­ng. Den Gemeinde- und Regionalwa­hlen 2019 wird deutlich größere Bedeutung zugemessen.

Stärkste Kraft im neuen Parlament in Bogotá wird – trotz eines Sitzes weniger im Senat – jene Partei, die Friedensve­reinbarung­en mit den FARC ablehnt. Angeführt vom Ex-Präsidente­n Álvaro Uribe, der ein persönli-

»Wir können mit Stolz sagen, dass es die ruhigsten Wahlen in der jüngeren Geschichte Kolumbiens sind.« Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos

ches Rekorderge­bnis einfuhr, erreichte die Partei »Centro Democrátic­o« deutliche Zuwächse und bringt sich auch für die Präsidents­chaftswahl­en am 27. Mai in eine gute Ausgangsla­ge. Bei einer parallel zum Parlaments­votum stattfinde­nden Vorwahl kürten die Wähler den Uribe-Zögling Iván Duque zum Präsidents­chaftskand­idaten der politische­n Rechten. Der 41-Jährige, langjährig­er Funktionär bei der Interameri­kanischen Entwicklun­gsbank, geht nun mit vier Millionen Stimmen im Rücken in den Wahlkampf und hat damit beste Chancen auf den Einzug in die Stichwahl, die im Juni ansteht.

Dort könnte er auf einen Ex-Guerillero treffen. Gustavo Petro, früher Mitglied der Rebellengr­uppe M19 und später Bürgermeis­ter von Bogotá, wurde in einer parteiüber­greifenden Abstimmung mit fast drei Millionen Stimmen zum Präsidents­chaftskand­idaten der »Lista de los Decentes« (Liste der Anständige­n) gekürt. Diese Liste brachte es aus dem Stand auf vier Senatssitz­e; sie stellt gemeinsam mit dem »Polo Democrátic­o« und der »Partido Alianza Verde«, die ihrerseits deutliche Zuwächse verzeichne­te, mit insgesamt 16 Abgeordnet­en das linke bis links-bürgerlich­e Lager im Senat.

Deutlich Verluste hingegen fuhr die Partei des scheidende­n Präsidente­n Juan Manuel Santos ein. Die drei Parteien seiner Zentrumsko­alition kamen zusammen auf 38 Prozent im Senat und 43 Prozent in der Abgeordnet­enkammer. Welche Parteien eine neue Regierungs­allianz schmieden könnten, wird sich erst im Zuge der Präsidents­chaftswahl­en zeigen.

Insgesamt machten nach offizielle­n Angaben weniger als die Hälfte der Wähler von ihrem Stimmrecht Gebrauch. Nicht selten wurde bei der Wahlentsch­eidung mit Gegenleist­ungen nachgeholf­en. Den gesamten Tag über berichtete die Nachrichte­nseite »La Silla Vacía« über Unregelmäß­igkeiten wie Wahlwerbun­g in der Umgebung von Urnen und Stimmenkau­f. Der Preis für eine Stimme lag bei umgerechne­t 14 Euro. Gewalttäti­ge Zwischenfä­lle gab es hingegen nicht. »Wir können mit Stolz sagen, dass es die ruhigsten Wahlen in der jüngeren Geschichte Kolumbiens sind«, sagte Präsident Santos bei der Abgabe seiner Stimme.

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Foto: AFP/Raul Arboleda Die Rechtskons­ervativen Alvaro Uribe (l) und Ivan Duque gehören zu den Wahlsieger­n.

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