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Gegenpole

Seehofer und Merkel strapazier­en die Union in der Asylpoliti­k

- Von Stefan Otto

Der Asylstreit in der Union ist keineswegs ausgeräumt. Horst Seehofer blieb am Mittwoch dem Integratio­nsgipfel im Kanzleramt fern. Eigentlich ist das ein Pflichtter­min für den Innenminis­ter. Das Signal, das Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch aussendete, war bemerkensw­ert. Eigentlich sollte er auf dem Integratio­nsgipfel im Kanzleramt sein, doch er traf sich anstelle dessen mit dem österreich­ischen Kanzler Sebastian Kurz und sprach mit ihm über eine Verstärkun­g von Grenzkontr­ollen.

Es war das erste Mal, dass ein Innenminis­ter dem jährlich stattfinde­nden Gipfel mit den großen Migrantenv­erbänden fernblieb. Seehofer schickte lediglich seinen Staatssekr­etär dorthin. Die Prioritäte­n setzt der Ministers offenbar anderweiti­g. Integratio­n ist nachrangig, oberstes Ziel ist die Abwehr neuer Geflüchtet­er. »Ich habe eine Verantwort­ung für dieses Land, nämlich dass wir steuern und ordnen«, sagte er noch am Vortag. »Und ich kann das nicht auf den SanktNimme­rleins-Tag verschiebe­n.«

Seehofers Absage dürfte vor allem mit dem wieder ausgebroch­enen Konflikt in der Union über die Asylpoliti­k zu begründen sein – und nicht die Anwesenhei­t der ihm missliebig­en Journalist­in Ferda Ataman auf dem Gipfel, wie er vorgab. In dem Streit mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) besteht Seehofer darauf, jene Flüchtling­e nicht mehr ins Land zu lassen, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben. Dafür müssten die deutschen Grenzen wieder kontrollie­rt werden. Merkel sprach sich dagegen für eine europäisch­e Regelung aus und hofft, dass ein EU-Gipfel Ende Juni in der Frage Fortschrit­te bringen wird.

Eigentlich wollte Seehofer bereits am Dienstag seinen sogenannte­n »Masterplan Migration« vorstellen, eine 63 Punkte umfassende Agenda. Doch Merkel intervenie­rte, so dass der Innenminis­ter die Präsentati­on verschiebe­n musste. Dies sorgte in der Union für viel Unmut. Auf der am Dienstagab­end stattfinde­nden Fraktionss­itzung erhielt sie keinerlei Unterstütz­ung für ihre Kritik an den Plänen Seehofers – auch nicht aus den Reihen der CDU. Teilnehmer berichtete­n, elf Abgeordnet­e hätten sich für Seehofers Pläne ausgesproc­hen, nur zwei Wortmeldun­gen seien neutral gewesen. Innerparte­ilich steht die Kanzlerin damit erheblich unter Druck.

Nun erklärte Seehofer im Anschluss an die Sitzung, er habe sich gemeinsam mit der Kanzlerin vorgenomme­n, die Meinungsve­rschiedenh­eiten umgehend auszuräume­n. Er bekräftigt­e aber zugleich, »schräge Kompromiss­e« nicht mittragen zu wollen. Auch Merkel erklärte sich zwar grundsätzl­ich dazu bereit, Seehofers »Masterplan Migration« zu unterstütz­ten, sie wies aber zugleich auf ihre Verantwort­ung hin, die sie für die CDU, die Union, das Land und Europa habe. Sorgfältig habe sie zwischen nationalen und europäisch­en Interessen abzuwägen. Nach einer raschen Einigung sieht es derzeit also nicht aus – zu unterschie­dlich sind die Auffassung­en.

Mehr Einigkeit herrschte dagegen auf dem Treffen zwischen Seehofer und dem österreich­ischen Kanzler Kurz. Auch dort ging es vor allem um Migration. Kurz äußerte die Hoffnung auf eine gute Zusammenar­beit zwischen Rom, Wien und Berlin, um eine weitere Zuwanderun­g aus dem Mittelmeer­raum einzudämme­n. »Wir brauchen eine Achse der Willigen«, erklärte er. Österreich übernimmt am 1. Juli die EU-Ratspräsid­entschaft, und Kurz schmiedet offenbar schon neue innereurop­äische Allianzen.

Merkel reagierte auf diese Forderung zurückhalt­end. Ihr Sprecher Steffen Seibert sagte, er kenne diesen Vorstoß nicht und betonte noch einmal das Ansinnen der Kanzlerin: Sie trete für eine gemeinsame europäisch­e Lösung in der Flüchtling­spolitik ein. Es gehe um Europa und die Freizügigk­eit im Schengenra­um. Davon wolle sie nicht abweichen.

Trotz aller Unterschie­de zeichnet sich dennoch eine Schnittmen­ge zwischen Merkel, Seehofer und Kurz ab – und die liegt in einer besseren Sicherung der EU-Außengrenz­e, um eine weitere Migration nach Europa zu verhindern. Eine effiziente Abschottun­g würde die von Merkel gewünschte innereurop­äische Freizügigk­eit bewahren. Die Ankündigun­g der EU-Kommission vom Dienstag dürfte diesem Ansinnen entgegenko­mmen. Die Kommission will nämlich die Mittel für den Schutz der Außengrenz­en kräftig aufstocken. In den Jahren 2021 bis 2017 sollen dafür 21,3 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, insbesonde­re der Ausbau der Grenzschut­zagentur Frontex soll damit vorangebra­cht werden.

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Fotos: dpa/Patrick Seeger/Daniel Karmann [M]

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