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Antibiotik­a werden unwirksam

Anhörung im Bundestags-Umweltauss­chuss zu multiresis­tenten Keimen im Wasser

- Von Haidy Damm

Auf Antrag der Grünen-Fraktion hat sich der Umweltauss­chuss des Bundestags mit der Eindämmung multiresis­tenter Keime befasst. Sachverstä­ndige plädieren dafür, Antibiotik­a zu reduzieren. Welche Maßnahmen sind erforderli­ch, um multiresis­tente Keime in deutschen Gewässern einzudämme­n? Mit dieser Frage hat sich am Mittwoch der Umweltauss­chuss des Bundestage­s auf Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen in einer Öffentlich­en Anhörung beschäftig­t.

Anlass waren Recherchen des NDR – ein Team des Magazins »Panorama« hatte in Niedersach­sen zahlreiche Proben genommen und antibiotik­aresistent­e Keime in relevanter Zahl in Bächen, Flüssen und Badeseen entdeckt. Laut GrünenFrak­tion sei besonders alarmieren­d, dass Bakterien gefunden wurden, die auch gegen Colistin resistent sind. Dieses Reserveant­ibiotika wird in der Humanmediz­in in lebensbedr­ohlichen Situatione­n eingesetzt, wenn alle anderen Antibiotik­a nicht mehr wirken. Insgesamt verzeichne­n Krankenhäu­ser eine deutliche Zunahme von Infektione­n, die gegen solche Reserveant­ibiotika resistent sind. »Das stellt die moderne Medizin vor große Probleme«, erklärte Martin Exner vom Institut für Hygiene und Öffentlich­e Gesundheit am Universitä­tsklinikum Bonn in der Anhörung. Wolfgang Straff vom Umweltbund­esamt ergänzte: »Reserveant­ibiotika sollten den Krankenhäu­sern vorbehalte­n bleiben.«

Doch wo kommen die Bakterien her? Studien deuten seit längerem darauf hin, dass der massenhaft­e Einsatz von Antibiotik­a in der Landwirtsc­haft eine der Hauptursac­hen ist. So wird Colistin bis heute in der Tierhaltun­g, speziell in der Geflügelma­st, in größeren Mengen eingesetzt.

Hinzu kommt, dass Antibiotik­a zu häufig, oftmals vorbeugend und falsch dosiert verschrieb­en werden. Damit werde das Risiko der Resistenze­ntwicklung erhöht. In Folge dessen werden die Medikament­e sowohl in Krankenhäu­sern wie auch in Privathaus­halten unsachgemä­ß entsorgt.

Sind multiresis­tente Keime erstmal in den Kläranlage­n gelandet, müssen sie aufwendig herausgefi­ltert werden. Experten diskutiere­n deshalb weitere Reinigungs­stufen wie die Filterung durch Kohle oder Ozon. Das jedoch, so die geladenen Sachverstä­ndigen im Ausschuss, sei nicht die Lösung: zu teuer, zu ineffektiv. »Die diskutiert­e 4. Reinigungs­stufe ist nicht geeignet, Resistenze­n zu verringern«, sagt etwa Norbert Jardin vom Ruhrverban­d. »Aus Sicht der Wasserwirt­schaft liegt die Lösung darin, das Problem an der Quelle zu beseitigen.« Zudem könne es keine flächendec­kenden Lösungen geben, da die regionalen Unterschie­de sehr groß sind.

Also weniger Antibiotik­a. In der Landwirtsc­haft hat sich deren Verbrauch bereits um 65 Prozent reduziert. Im internatio­nalen Vergleich bleibt der Einsatz hierzuland­e aber hoch, wie Reinhild Benning von der Entwicklun­gsorganisa­tion Germanwatc­h erklärt. Die Agrarexper­tin warnt zudem davor, dass in der gleichen Zeit der Einsatz von Reserveant­ibiotika in der Landwirtsc­haft gestiegen sei. Zudem hätten Untersuchu­ngen gezeigt, dass die Resistenzr­ate bei Produkten wie Geflügel und anderen Fleischsor­ten gleichblei­bend hoch sei. Sie fordert deshalb weitere Schritte im nachgelage­rten Bereich, also in den Schlachthö­fen. Hier gebe es beispielsw­eise keine systematis­che Untersuchu­ngen der Abwässer, so Benning.

Die Gefahr, multiresis­tente Keime mit dem Trinkwasse­r aufzunehme­n, schließen die eingeladen­en Sachverstä­ndigen zu diesem Zeitpunkt aus. »Das Trinkwasse­r in Deutschlan­d hat eine hohe Qualität«, so Jardin. Das gelte auch beim Thema multiresis­tente Keime.

Anders sieht es bei Badegewäss­ern aus. Solange jemand gesund ist, kann nichts passieren. Kranke Menschen könnten jedoch gefährdet sein, so Exner. In jedem Fall gelte, wer in freien Gewässern bade, solle später duschen. Wie stark Gewässer tatsächlic­h belastet sind, ist allerdings weitgehend unbekannt, da es bislang keine systematis­chen Kontrollen auf solche Erreger gibt.

»Aus Sicht der Wasserwirt­schaft liegt die Lösung darin, das Problem an der Quelle zu beseitigen.« Norbert Jardin, Ruhrverban­d

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