nd.DerTag

Politische Wilderei in Thailand

Eine der Militärreg­ierung nahestehen­de neue Partei kauft Abgeordnet­e

- Von Thomas Berger

Die Rettung der zwölf Jugendlich­en und des Trainers aus einer Höhle war für die Militärreg­ierung Thailands ein Erfolg. Mit einer ihr nahestehen­den neuen Partei will sie bei den nächsten Wahlen punkten. Parteiwech­sel, daran erinnern in den aktuellen Berichten thailändis­cher Medien zum Thema auch die befragten Experten aus der Politikwis­senschaft, sind in dem südostasia­tischen Land kein völlig neues Phänomen. Im Fokus steht die eigene Karriere, und wenn zum Beispiel die bisherige politische Heimat einem keine halbwegs sichere Kandidatur mehr ermöglicht, lässt sich ein erneuter Parlaments­sitz eben vielleicht bei der Konkurrenz erringen. Dieses Denken hat in der Vergangenh­eit den Grad langfristi­ger Loyalität mitunter stärker eingeschrä­nkt. Was jetzt im Raum steht, ist allerdings explizit der Vorwurf »politische­r Wilderei«.

Beschwerde­führer ist dabei die Pheu Thai (PT), die bis zum Militärput­sch des heute tonangeben­den Regimes unter Premier Prayuth Chanocha, seinerzeit Armeechef, im Mai 2014 die Regierung stellte. Bereits seit mehreren Wochen beklagt sie eine gezielte Abwerbekam­pagne prominente­r Mitglieder durch die Palang Pracharat Party. Das ist eine Partei-Neugründun­g, die höchsten Kreisen der Junta nahesteht, für Prayuth und andere zum Vehikel werden könnte, um auch nach den Wahlen (nun für 2019 zwischen Ende Februar und Mai avisiert) unter nominell wieder demokratis­chen Verhältnis­sen weiter im Amt zu bleiben. Mit den einschlägi­gen Gesetzesre­formen haben die einstigen Putschiste­n sichergest­ellt, dass beispielsw­eise Prayuth selbst dann erneut zum Regierungs­chef berufen werden könnte, wenn er gar kein Abgeordnet­er ist. Deshalb hat es der starke Mann in Bangkok auch gar nicht eilig, etwa ganz direkt einer Partei beizutrete­n.

Der Palang Pracharat, die bisher kaum über eigene Strukturen verfügt, stehen seitens namhafter Regierungs­kreise offenbar genügend finanziell­e Ressourcen zur Verfügung, um gezielt Ex-Abgeordnet­e der Pheu Thai abzuwerben. Die Rede ist von gestaffelt­en Summen in Höhe von 20, 30 und 50 Millionen Baht (bis zu knapp 1,3 Millionen Euro), die je nach Bedeutung der betreffend­en Politiker als Anreiz für einen Übertritt winken. In den Medien kursieren Zahlen von bis zu 40 vormaligen PT-Parlamenta­riern, die mindestens schon entspreche­nd kontaktier­t wurden, auch wenn die Spitze der attackiert­en Partei eher von einem Dutzend Abtrünnige­r spricht. Dennoch beunruhige­n die in Hinterzimm­ertreffs laufenden Aktivitäte­n die PT-Führung so stark, dass sogar vor der Wahlkommis­sion formell Beschwerde eingelegt wurde. Schließlic­h sind Geldzahlun­gen, um einen Parteiwech­sel zu forcieren, nach den neuen Gesetzen illegal und können mit bis zu zehn Jahren Haft geahndet werden.

Die Neugründun­g könnte sich ihre künftigen Kandidaten zur Wahl durchaus auch in anderen Teilen des politische­n Spektrums zusammenka­ufen. Doch geht es speziell darum, die PT zu schwächen, deren Mentor und »Berater«, nach anderer Lesart auch eindeutige­r Strippenzi­eher und eigentlich­er Machtfakto­r im Hintergrun­d, noch immer Ex-Premier Thaksin Shinawatra ist. Zwar ist es fast zwölf Jahre her, seit dieser im September 2006 bei einem unblutigen Coup der damaligen Armeespitz­e entmachtet wurde. Doch noch immer ist der Mann, der in den Jahren um die Jahrtausen­dwende Thailands Politik dominierte und auch aus dem Exil heraus eine gewisse Rolle spielt, die umstritten­ste Persönlich­keit im Land. Im Norden und gerade Nordosten, dem Armenhaus Thailands, haben seine Getreuen aber ihre verlässlic­he Hochburg. Das zeigte sich über all die Jahre hinweg, als aus seiner damaligen Thai Rak Thai (TRT) in mehreren Umfirmieru­ngsschritt­en erst die People Power Party (PPP), dann die von seiner Schwester Yingluck geführte PT wurde. Yingluck, 2014 als Premiermin­isterin gestürzt, hat sich inzwischen auch ins Ausland abgesetzt.

Im Fokus der Abwerbeakt­ion steht ein Team, das als Sam Mitr (drei Alliierte) die Runde macht – dahinter stehen Somkid Jatusripid­ak, einer der Vizepremie­rs Prayuths, sowie zwei frühere TRT-Größen, Somsak Thepsuthin und Suriya Juengrungr­uangkit. Ebenso sollen die gegenwärti­gen Minister für Industrie und Handel in den »Politikerk­auf« involviert sein, und damit in den in den Missbrauch ihrer Ämter und Ressourcen. Thaksin ließ in einer Videobotsc­haft verlauten, man werde die nur auf ihren eigenen Vorteil bedachten Abtrünnige­n durch integre, loyale Persönlich­keiten ersetzen und werde unbelastet­en Kandidaten eine Chance geben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany