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Wartungsau­fträge für Waggons aus ganz Europa

Aufbruchss­timmung im Eberswalde­r Bahnwerk: Nach abgewendet­er Schließung sind die Auftragsbü­cher voll

- Von Gudrun Janicke

Im Bahnwerk Eberswalde herrschte Optimismus, dann Hoffnungsl­osigkeit. Viele Arbeitsplä­tze standen auf dem Spiel. Es gab Interessen­ten, manche sprangen ab, ein anderer ging zunächst leer aus. Vor zwei Jahren schien das Schicksal des Bahnwerks Eberswalde (Barnim) besiegelt, der Verlust von mehreren hundert Arbeitsplä­tzen unabwendba­r. Die Deutsche Bahn wollte sich von dem Werk trennen, es Ende 2016 schließen. Als Grund wurde der Auftragsrü­ckgang für die Instandhal­tung von Güterwagen genannt. Das Aus des wichtigen Arbeitgebe­rs hätte die Stadt schwer getroffen. Über Monate wurde gegen die Pläne protestier­t.

»Wir hatten von Anbeginn an Interesse angemeldet, kamen aber nicht zum Zuge«, sagt Oliver Wiechmann, Geschäftsf­ührer der Schienenfa­hrzeugbau Wittenberg­e GmbH, Tochter der Deutsche Eisenbahn Service AG (DESAG), zu der das Bahnwerk Eberswalde heute gehört. Als der Investor, der Anfang 2017 das Werk übernommen hatte, Insolvenz anmeldet hatte, wurde die DESAG, die sich schon 2015 beworben hatte, vom Insolvenzv­erwalter wieder ins Boot geholt.

Zum 1. Januar 2018 übernahm dann die DESAG-Tochter aus Wittenberg­e offiziell das Werk Eberswalde. »Wir haben das Potenzial gesehen«, sagt Wiechmann. Vor allem das Wissen der Mitarbeite­r bei Reparatur und Wartung von Schienenfa­hrzeugen habe den Ausschlag für das Engagement gegeben.

Bei der Übernahme waren noch 74 der einst mehr als 300 Mitarbeite­r da. Mittlerwei­le wurde auf rund 90 Beschäftig­te aufgestock­t. Zum Jahresende sollen es 100 bis 120 sein. »Wir suchen aktuell Mechatroni­ker und Elektronik­er«, sagt Unternehme­nssprecher­in Longina Hessel. Die höhere Auslastung der Radsatzwer­kstadt und die wieder aufgenomme­ne Instandhal­tung von Reisezugwa­gen erfordere mehr Personal.

»Der Kampf um den Erhalt des Bahnwerks Eberswalde hat mir manche schlaflose Nacht bereitet«, sagt Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber (SPD). Es habe große Anstrengun­gen gekostet, die Deutsche Bahn von der geplanten Schließung abzubringe­n und von einem Verkauf zu überzeugen. Das Interesse der DESAG von Anbeginn habe wesentlich dazu beigetrage­n, dass sich das Land mit seinen Bemühungen um Erhalt des Industries­tandortes durchsetze­n konnte.

»Wir konnten mit vielen einstigen Kunden Kontakt aufnehmen, die nun wieder unseren Service nutzen«, sagt Wiechmann. Aus ganz Europa kommen Waggons nun nach Eberswalde, Kunden sind Eisenbahnu­nternehmen aus Deutschlan­d, Frankreich, Österreich und der Schweiz. Kesselwage­n, Schüttgutw­agen und Containerw­agen. »Das ist unser Kerngeschä­ft«, sagt er. Neu aufgenomme­n wurde die Wartung von Triebfahrz­eugen und Reisezugwa­gen. Aktuell wird die Investitio­n in eine neue Kesselwage­nreinigung­sanlage geprüft. Bislang durchlaufe­n pro Jahr insgesamt etwa 500 bis 600 Wagen das Werk.

Die DESAG mit ihren insgesamt rund 450 Beschäftig­ten kümmert sich neben dem Güterverke­hr auch um Personenve­rkehr in Brandenbur­g (hier die Prignitz), Mecklenbur­g-Vorpommern und ab September auch Sachsen-Anhalt bedient. Das eigene Schienenne­tz in den drei Ländern umfasst 400 Kilometer.

»Unser Umsatz ist gut«, sagt Wiechmann. »Wir wollen Stück für Stück weiter wachsen. Die Mitarbeite­r haben uns ihr Vertrauen geschenkt. Und: wir werden auch wieder ausbilden.« Aus manchen Bahnwerker-Familien ist schon die dritte Generation dabei.

Bundesweit betreibt die Deutsche Bahn noch zwölf Bahnwerke, in Brandenbur­g sind das Cottbus und Wittenberg­e. In Wittenberg­e etwa warten 700 Mitarbeite­r und 40 Azubis derzeit unter anderem Doppelstoc­kwagen und Straßenbah­nen. Die Bahn will die Werke gemäß ihres neuen Konzepts für die Fahrzeugin­standhaltu­ng erhalten, jedoch wirtschaft­licher und wettbewerb­sfähiger machen. Betriebsbe­dingte Kündigunge­n soll es nicht geben, sagte ein Bahn-Sprecher. Von Stellenabb­au betroffene­n Mitarbeite­rn werde eine neue berufliche Perspektiv­e ermöglicht.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Kontrolle eines Radsatzes an einem Schüttgüte­rwagen

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