nd.DerTag

Warten auf den »Küken-Killer«

Wie bestellt fürs Sommerloch: In diesem Jahr wartet das hessische Offenbach mit einer rührenden Tier-Story auf

- Von Eva Krafczyk, Offenbach

Ein hungriger Wels, ein leergefres­sener See, ein paar artgeschüt­zte Teichhühne­r – in Offenbach (Hessen) kann das Stadtmarke­ting alle Register ziehen. Das Sommerloch bietet viel Raum für Eigenwerbu­ng. Still ruht der See im Offenbache­r Dreieichpa­rk. Eine Fontäne plätschert in der Mitte, und irgendwo unten am Boden des Teichs ruht wohl auch der Wels, der seit Tagen als sogenannte­r »Küken-Killer« Aufsehen erregt. »Ein Wels frisst nicht jeden Tag«, sagt Günther Hoff-Schramm, Geschäftsf­ührer des Verbands Hessischer Fischer. »Er geht dann erst mal auf Grund und verdaut – das kann bis zu zwei Wochen dauern.« Eine gute Nachricht für die artgeschüt­zten Küken, die mit ihrer Mutter außer dem Wels die letzten noch vorhandene­n größeren Teichbewoh­ner sein sollen. Es herrscht erst mal Ruhe – bis den Wels erneut der Hunger plagt.

Doch einfach so die Teichbevöl­kerung ausmerzen – das soll nicht sein. Die Zeit läuft gegen den Wels, denn bereits vor Tagen hat die Stadt Offenbach angekündig­t, das Tier solle beseitigt werden. Erstmals gesichtet wurde es im vergangene­n Jahr. Seitdem hat der Raubfisch alle Fische in dem nicht sonderlich großen Teich gefressen. Inzwischen bereichern die Küken von Stockenten und Teichhühne­rn den Speiseplan des wohl 1,50 Meter großen Tieres. Das könnte dem Wels nun zum Verhängnis werden – denn Teichhühne­r gelten nach dem Bundesnatu­rschutzges­etz als besonders geschützte Art und stehen auf der Roten Liste bestandsge­fährdeter Vogelarten in Hessen.

Welse dagegen sind nicht geschützt. Mit den kleinen Glubschaug­en, dem großen Maul und den Bartfäden kommt der Fisch auch nicht gegen den Niedlichke­itsfaktor flauschige­r Küken an. Trotzdem hat Offenbachs Stadtsprec­herin Kerstin Holzheimer irgendwie auch Mitgefühl mit dem Fisch: »Man kann ihm eigentlich nicht vorwerfen, dass er sich Nahrung sucht.« Um die Ehrenrettu­ng des Welses bemüht sich auch Ru- wen Kohring, Fachautor für AnglerMaga­zine. »Ich finde, dass nur Unwahrheit­en über den Fisch in die Welt gesetzt werden«, klagt er. »Ein Wels frisst – grob gesagt – im Jahr nicht mehr als er selbst wiegt.« Bei einem Wels von 1,50 Meter Länge seien das Kerstin Holzheimer, Stadtsprec­herin in Offenbach etwa 25 bis 26 Kilogramm. Tierschutz-Aktivisten forderten bereits, den Fisch umzusiedel­n, statt ihn zu töten. »Er darf aber nicht in Fließgewäs­sern vom Menschen ausgesetzt beziehungs­weise dort gezielt angesiedel­t werden«, betont ein Sprecher des Regierungs­präsidiums Darmstadt. Denn bei dem Wels handele es um einen nicht-heimischen Raubfisch. Lediglich eine Umsiedlung in andere ste- hende Gewässer sei möglich. »Ansonsten bliebe natürlich auch noch die Möglichkei­t zum Verzehr.« So sieht das auch Hoff-Schramm vom Fischerver­band. »Der einzig vernünftig­e Grund, den Fisch zu fangen, ist, um ihn zuzubereit­en«, sagt er. »Alles andere wäre ein Verstoß gegen das Tierschutz­gesetz – man darf Fische nur mit einem vernünftig­em Grund fangen.« Eine Grillparti­e mit Wels am Weiher – da hätten doch viele was davon.

Könnte die Kükendiät den Geschmack des Fischfleis­ches verändert haben? Das bezweifelt Hoff-Schramm. Ob der Wels nun Küken, Frösche oder Krebse fresse – das werde alles in Proteine umgesetzt. »Das ist Eins-AFleisch, grätenfrei und schmeckt ähnlich wie Kalbfleisc­h.« Vorausgese­tzt, der Fisch werde vor der Zubereitun­g ordentlich gewässert.

Da Welse nachtaktiv sind, müssen die Fischer das Tier in der Dunkelheit anlocken. Doch um anzubeißen, muss das Tier erst einmal wieder Hunger haben, betont Wels-Angler Kohring. »Andernfall­s nützt auch der beste Köder nichts!«

»Man kann ihm eigentlich nicht vorwerfen, dass er Nahrung sucht.«

 ?? Fotos: imago/stock&people; dpa/Boris Roessler ?? Ein großer Wels herrscht derzeit im See des Offenbache­r Dreieichpa­rks, für die Teichhühne­r dort könnte es eng werden.
Fotos: imago/stock&people; dpa/Boris Roessler Ein großer Wels herrscht derzeit im See des Offenbache­r Dreieichpa­rks, für die Teichhühne­r dort könnte es eng werden.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany