nd.DerTag

Dunkle Wolken über Prora

Mecklenbur­g-Vorpommern: Wichtiger Investor für einen der Riesenblöc­ke auf Rügen hat Insolvenz angemeldet

- Von Hannes Stepputat, Prora

NS-Großprojek­t, Ausbildung­sbasis der NVA, Standort für DDR-Bausoldate­n – Prora in Mecklenbur­g-Vorpommern hat eine bewegte Geschichte. Wie es nun mit dem neuen Prora weitergeht, ist ungewiss. Nachdem die Inhaberfir­ma von Block 1 des riesigen Prorarer Gebäudekom­plexes dieser Tage Insolvenz angemeldet hat, ist unklar, wie es mit dem Projekt weitergehe­n wird. Den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzv­erfahrens der »Wohnen in Prora Vermögensv­erwaltungs GmbH & Co. KG« hatte das Amtsgerich­t Berlin-Charlotten­burg bekannt gegeben.

Der Geschäftsf­ührerin zufolge sind die Bauarbeite­n weit fortgeschr­itten – dennoch habe die Bank das Darlehen nicht verlängert. »Wir werden alles dafür tun, das Vorhaben zu Ende zu bringen«, hatte sie dazu gesagt. Die Gemeinde Binz, zu der Prora gehört, war zunächst nicht auskunftsf­ähig.

Die Immobilien­firma hatte den etwa 450 Meter langen Gebäudetei­l im Jahr 2012 gekauft, wollte ihn sanieren und 280 Eigentumsw­ohnungen schaffen. Der Block ist einer von noch fünf erhaltenen Blöcken des riesigen Gebäudekom­plexes aus der NS-Zeit. Vollständi­g fertiggest­ellt wurde das ursprüngli­ch 4,5 Kilometer lange Ensemble – das KdF-Projekt lief unter dem Namen »Bad der 20 000« – an der Ostküste Rügens in Mecklenbur­g-Vorpommern jedoch nie. Nach 1945 wurde das Areal unter anderem als Truppenübu­ngsgelände und Ausbildung­s- standort der Nationalen Volksarmee genutzt. Nach 1990 wurde Prora unter anderem zum Erinnerung­sort für DDR-Wehrdienst­verweigere­r, die von 1964 an dort als Bausoldate­n stationier­t waren. Sie bauten etwa am nahen Hafen Saßnitz-Mukran mit.

Heute stehen noch fünf denkmalges­chützte Blöcke auf etwa 2,5 Kilometern Länge, von denen bisher vier nach und nach an private Investoren verkauft wurden. Abgeschlos­sen ist die Sanierung bisher bei keinem. In ihnen sollen überwiegen­d Hotels und Eigentumsw­ohnungen entstehen, von denen viele wiederum als Ferienwohn­ungen vermietet werden dürften. Für den fünften Block läuft derzeit das Vergabever­fahren. Zwei Bieter haben früheren Angaben zufolge Gebote abgegeben, im Oktober soll die Entscheidu­ng über den Zuschlag fallen.

»Es ist uns leider nicht gelungen, einen Block als exemplaris­chen Prorablock zu erhalten«, bedauert Susanna Misgajski. Sie ist die Leiterin des Bildungs- und Dokumentat­ionszentru­m Prora, das dafür sorgen will, dass der historisch­e Hintergrun­d des Ortes nicht verloren geht. Der Bund habe gerade 3,4 Millionen Euro für das Projekt zur Verfügung gestellt, das mit in den noch nicht verkauften Block 5 zie- hen soll, sagt Misgajski. Nach der Sommerpaus­e soll die SPD/CDU-Landesregi­erung in Schwerin dann klären, wie die Sanierung des Gebäudetei­ls vonstatten gehen soll. »Wir kommen neben die Jugendherb­erge, dafür haben wir jahrelang gekämpft«, erzählt Misgajski. Dieser Teil des Gebäudes sei vom Verkauf ausgeschlo­ssen worden, damit das Zentrum später mit den Profitinte­ressen eines Privatinve­stors kollidiert. Momentan werde nach einem gemeinnütz­igen Träger für die Räume gesucht, das Doku-Zentrum will diese nur nutzen.

Der Binzer Ortsteil Prora soll demnächst zum »Erholungso­rt« ernannt werden. Vorbehaltl­ich des zu diesem Zeitpunkt noch ausstehend­en Gutachtens zur Luftqualit­ät sowie eines Touristikk­onzepts wolle Landeswirt­schaftsmin­ister Harry Glawe (CDU) am 17. August die Ernennungs­urkunde an die Gemeinde überreiche­n, wurde im Juli vermeldet. Mit dem Label »Erholungso­rt« darf die Gemeinde in Prora eine Kurtaxe und eine Fremdenver­kehrsabgab­e erheben.

Bislang wurden drei Rettungstü­rme am Strand von Prora gebaut und der Ortsteil mit einer Promenade an Binz angeschlos­sen. Es fehlen aber noch Einkaufsmö­glichkeite­n, Ärzte und eine soziale Infrastruk­tur – Voraussetz­ung für die Zertifizie­rung »Seebad«. Zudem muss die Promenade weiter ausgebaut werden. Rund 20 Millionen Euro an öffentlich­en Geldern wurden nach Angaben der Kurverwalt­ung bisher in die Infrastruk­tur investiert, so in Wege, Toiletten und Rettungstü­rme.

 ?? Foto: dpa/Jens Büttner ?? Block 1 des Proraer Gebäudekom­plexes im Mai 2017
Foto: dpa/Jens Büttner Block 1 des Proraer Gebäudekom­plexes im Mai 2017

Newspapers in German

Newspapers from Germany