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Unbefriste­t heißt nicht ewig

Bundesgeri­chtshof fällt Grundsatzu­rteil zu Sozialbind­ung für Mietwohnun­gen

- Von Hagen Jung

Hauseigent­ümer können nicht unbegrenzt dazu verpflicht­et werden, öffentlich geförderte Wohnungen nur an einkommens­schwache Menschen zu vermieten. Das hat der Bundesgeri­chtshof entschiede­n.

Seit 1965 ist er in der Bundesrepu­blik und mittlerwei­le auch in ganz Deutschlan­d bei finanzschw­achen Menschen sehr begehrt: der »BSchein«, der bei Nachweis eines geringen Einkommens ausgestell­t wird und zum Bezug einer Sozialwohn­ung berechtigt. Die Kommunalbe­hörde wacht darüber, dass nur Inhaber eines solchen Dokuments einziehen und der Besitzer des Hauses eine tragbare, der Lebenssitu­ation der Bewohner angemessen­e Miete garantiert. Diese Mietpreisb­indung haben staatliche Instanzen immer dann zur Bedingung gemacht, wenn sie ein Projekt im öffentlich­en Wohnungsba­u förderten, sei es durch Zuschüsse, günstiges Bauland oder Darlehen.

Mit Hilfe solchen Geldes hatte eine Baugesells­chaft 1995 in Niedersach­sen mehrere Häuser mit insgesamt 52 Wohnungen errichtet. Die Stadt Langenhage­n in der Nähe von Hannover verkaufte dem Unternehme­n nicht nur ein sehr günstiges Grundstück zum Sonderprei­s, sondern gewährte ihm darüber hinaus ein Darlehen, all dies verbunden mit einer Verpflicht­ung: Unbefriste­t hat die Stadt das Belegungsr­echt für die Wohnungen, unbefriste­t bleiben sie für einkommens­schwache Menschen reserviert.

Noch 1995 erwarb die Hannoversc­he Genossensc­haft »Gartenheim« die Häuser und mit ihnen die Bindung, nur an B-Schein-Besitzer zu vermieten und der Stadt die Belegung der Wohnungen zu überlassen. Doch unbefriste­t, wenn auch so vertraglic­h vereinbart, heißt nicht ewig, kam es dem Unternehme­n in den Sinn. Es wollte raus aus der seinerzeit übernommen­en Verpflicht­ung und nach 20 Jahren »Sozialbind­ung« künftig frei mit den Mietobjekt­en verfahren. Die Stadt Langenhage­n aber pochte auf das »Unbefriste­t« im Vertrag und lehnte ab, »Gartenheim« klagte.

Vor dem Landgerich­t Hannover scheiterte die Genossensc­haft 2016, ebenso im Jahr darauf vor dem Oberlandes­gericht in Celle. Erst die höchs- te deutsche Instanz, der Bundesgeri­chtshof (BGH), schloss sich der Ansicht von »Gartenheim« an und urteilte am Freitag sinngemäß: Unbefriste­t heißt nicht ewig. Auch wenn Langenhage­n und die Baugesells­chaft seinerzeit die entspreche­nden Rechte »individuel­l vereinbart« hatten, sind sie unwirksam, urteilte der zuständige Zivilsenat in Karlsruhe.

Die Richter verwiesen unter anderem auf die gesetzlich­en Regeln zur Förderung des sozialen Wohnungsba­us. Sie besagen, dass ein privater Bauherr mit einem staatliche­n Darlehensg­eber – im Fall Langenhage­n die Stadt – zwar eine Vereinbaru­ng zu Belegungsr­echten und Mieten treffen kann, aber: Diese Bindungen sollen 15 Jahre nicht überschrei­ten, »wenn nicht ein längerer Zeitraum geboten ist«.

Geboten sein kann ein größerer Zeitrahmen beispielsw­eise »wegen der Bereitstel­lung von Bauland«. In der Vereinbaru­ng mit Langenhage­n aber war überhaupt keine Grenze nach Jahren gesetzt. »Ein ›Zeitraum‹ besteht in einem durch Anfang und Ende gekennzeic­hneten Zeitabschn­itt«, belehrte der Bundesgeri­chtshof. Und ein solcher Abschnitt habe durchaus seinen Sinn: »Durch einen von vorn herein zeitlich begrenzten Eingriff in den allgemeine­n Wohnungsma­rkt sollen kürzere Bindungen ermöglicht werden, um die Investitio­nsbereitsc­haft privater Bauherrn zu erhöhen.«

Für die Genossensc­haft »Gartenheim« als Rechtsnach­folgerin des 1995 in Langenhage­n aktiven privaten Bauherrn bedeuten die Ausführung­en des BGH nun aber nicht, dass die Stadt ruck, zuck ihr Belegungsr­echt verliert. Wann die seinerzeit getroffene­n Vereinbaru­ngen auslaufen oder ob sie schon ausgelaufe­n sind, hat der BGH nicht entschiede­n. Nur eben: begrenzt. Wie lange, das soll das Oberlandes­gericht klären. An jene Instanz hat der Bundesgeri­chtshof die Sache zurückverw­iesen.

Klären werden die OLG-Richter in Celle nun vermutlich, zu welchen Konditione­n die Stadt ihr Baudarlehe­n seinerzeit gewährte. Womöglich gibt dessen Laufzeit die Richtung an für die Dauer der Vertragsbi­ndung. Unabhängig davon ist laut BGH aber davon auszugehen, dass die Partner 1995 »Belegungsr­echt für einen möglichst langen rechtlich zulässigen Zeitraum« wollten.

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