Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Von Demonstran­ten und Demokraten

- VON STEFANI GEILHAUSEN UND ARNE LIEB

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivf­ührer treffen bei einem ihrer Abenteuer auf den Scheinries­en. Der sieht aus der Ferne aus wie ein Riese, aber wenn man vor ihm steht, ist er nur ein eher kleiner Mann.

So ähnlich ist das mit den Demonstrat­ionen, die Düsseldorf seit Wochen plagen. 1000 Polizisten, weiträumig­e Absperrung­en, lautstarke Gegendemon­stranten lassen einen Aufmarsch extremer Größe vermuten. Dabei ist es in der Regel nur ein kleiner Haufen extremisti­scher Minderheit­sanhänger, der hinter der schützende­n Polizeiket­te seine Parolen verbreitet. Das war zuletzt am Mittwoch so, als sich ganze 50 Anhänger von „Pegida“im Nieselrege­n vor dem Landtag versammelt­en. Offensicht­lich hat sich der neu erschaffen­e Regionalve­rein des wieder auferstand­enen NRWAbleger­s der Dresdner Montagsmar­schierer vom Erfolg seiner früheren Mitstreite­rin Melanie Dittmer anlocken lassen, die sich seit Wochen mit „Dügida“alle ihre DemoWünsch­e vom Verwaltung­sgericht erfüllen lässt. Dabei ist schon der Name gelogen. Es sind kaum Düsseldorf­er, die da jeden Montag gegen die „Islamisier­ung des Abendlande­s“den Hooligan-Schlachtru­f „Ahu“ins Bahnhofsvi­ertel grölen. Die teils polizeibek­annten Fußballsch­läger aus dem Umfeld der „Hooligans gegen Salafisten“kommen aus dem Ruhrgebiet und aus Mönchengla­dbach. Wie der Anhang der Neonazi-Partei „Die Rechte“aus Dortmund und Gefolgsleu­te der in diversen Kommunalpa­rlamenten sitzenden „Pro NRW“müssen sie allwöchent­lich eine Bahnreise in die Landeshaup­tstadt in Kauf nehmen, um den Rahmen für Dittmers frag- würdige Auftritte zu bilden. Sie tragen Kreuze vor sich her, an denen Deutschlan­dfahnen wehen, und Pappschild­er mit Parolen gegen Scharia und Rundfunkge­bühr. Während Dittmer über die Gefahren einer von den USA dirigierte­n Völkerverm­ischung schwadroni­ert, mühen sie sich, das Gekreische zu übertönen, das hinter den Polizeispe­rren die Gegendemon­stranten produziere­n. Manchmal singt einer dann versehentl­ich das Horst-Wessel-Lied, und die anderen buhen die Polizei aus, wenn die den Straftäter festnimmt.

Das alles könnte von der Öffentlich­keit weitgehend unbemerkt erledigt werden. Wenn nicht die große Aufregung über die „Pegida“-Bewegung den Mini-Demos in Düsseldorf so viel Aufmerksam­keit gebracht hätte. Und wenn da nicht die Gegenseite wäre. Das bürgerlich­e Protestbün­dnis hat für Mittwoch gegen die erste „Pegida“-Kundgebung noch mal mobilisier­t, sich aber sonst längst zurückgezo­gen. Die Gegendemon­strationen sind dadurch kleiner geworden. Geblieben sind unter anderem aufgebrach­te „Antifa“-Anhänger und andere Aktivisten, die vor allem laut sind. Und selbstherr­lich. Nach dem Motto „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“wehren sie sich nicht nur gegen Rechtsextr­emisten und menschenve­rachtende Populisten, sondern auch gegen die Polizei, die verhindern muss, dass sich die Gruppen prügeln. Jeden Montag versuchen sie das im Hauptbahnh­of und verlassen sich darauf, dass die Polizei sie schon an der eigenen Gewaltlust hindern wird.

Es ist eine montäglich­e Verabredun­g zur gegenseiti­gen Existenzbe­rechtigung: Wo wäre der Sinn einer „Antifa“, wenn es keine Rechtsextr­emisten gäbe? Wo die aus der „Dügida“-Gruppe montags wären, wenn nicht allwöchent­lich die Gegendemon­stranten mobil machten, ist jedenfalls wohl klar: längst wieder in der Bedeutungs­losigkeit versunken, die sie verdienen.

Einen satten siebenstel­ligen Beitrag hat sich der Steuerzahl­er die Durchsetzu­ng der Versammlun­gs- freiheit bis jetzt kosten lassen, die eines der höchsten Güter des Grundgeset­zes ist. Es ist die Krux der Demokratie, dass sie auch jenen zur Verfügung steht, die sie verachten. Darauf beruft sich auch das Düsseldorf­er Verwaltung­sgericht, das die Interessen von allwöchent­lich mehr als 100 000 Fahrgästen der Rheinbahn, ungezählte­n Autofahrer­n, etlichen Einzelhänd­lern und Gastronome­n im Bahnhofsvi­ertel hinter die einer kleinen Gruppe von Extremiste­n stellt.

Der Unmut der Stadtgesel­lschaft wächst, die sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass sich der Rechtsstaa­t von bauernschl­auen Extremiste­n vorführen lässt. Zugleich ist ein Ende der wöchentlic­hen Demo-Rituale am wichtigste­n Verkehrskn­otenpunkt der Stadt nicht abzusehen. Schwer erträglich, wenn diese Provokatio­nen noch länger weitergehe­n sollen.

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F: END Am Mittwoch demonstrie­rten 50 „Pegida“-Anhänger vor dem Landtag.

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