Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Von Demonstranten und Demokraten
Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer treffen bei einem ihrer Abenteuer auf den Scheinriesen. Der sieht aus der Ferne aus wie ein Riese, aber wenn man vor ihm steht, ist er nur ein eher kleiner Mann.
So ähnlich ist das mit den Demonstrationen, die Düsseldorf seit Wochen plagen. 1000 Polizisten, weiträumige Absperrungen, lautstarke Gegendemonstranten lassen einen Aufmarsch extremer Größe vermuten. Dabei ist es in der Regel nur ein kleiner Haufen extremistischer Minderheitsanhänger, der hinter der schützenden Polizeikette seine Parolen verbreitet. Das war zuletzt am Mittwoch so, als sich ganze 50 Anhänger von „Pegida“im Nieselregen vor dem Landtag versammelten. Offensichtlich hat sich der neu erschaffene Regionalverein des wieder auferstandenen NRWAblegers der Dresdner Montagsmarschierer vom Erfolg seiner früheren Mitstreiterin Melanie Dittmer anlocken lassen, die sich seit Wochen mit „Dügida“alle ihre DemoWünsche vom Verwaltungsgericht erfüllen lässt. Dabei ist schon der Name gelogen. Es sind kaum Düsseldorfer, die da jeden Montag gegen die „Islamisierung des Abendlandes“den Hooligan-Schlachtruf „Ahu“ins Bahnhofsviertel grölen. Die teils polizeibekannten Fußballschläger aus dem Umfeld der „Hooligans gegen Salafisten“kommen aus dem Ruhrgebiet und aus Mönchengladbach. Wie der Anhang der Neonazi-Partei „Die Rechte“aus Dortmund und Gefolgsleute der in diversen Kommunalparlamenten sitzenden „Pro NRW“müssen sie allwöchentlich eine Bahnreise in die Landeshauptstadt in Kauf nehmen, um den Rahmen für Dittmers frag- würdige Auftritte zu bilden. Sie tragen Kreuze vor sich her, an denen Deutschlandfahnen wehen, und Pappschilder mit Parolen gegen Scharia und Rundfunkgebühr. Während Dittmer über die Gefahren einer von den USA dirigierten Völkervermischung schwadroniert, mühen sie sich, das Gekreische zu übertönen, das hinter den Polizeisperren die Gegendemonstranten produzieren. Manchmal singt einer dann versehentlich das Horst-Wessel-Lied, und die anderen buhen die Polizei aus, wenn die den Straftäter festnimmt.
Das alles könnte von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt erledigt werden. Wenn nicht die große Aufregung über die „Pegida“-Bewegung den Mini-Demos in Düsseldorf so viel Aufmerksamkeit gebracht hätte. Und wenn da nicht die Gegenseite wäre. Das bürgerliche Protestbündnis hat für Mittwoch gegen die erste „Pegida“-Kundgebung noch mal mobilisiert, sich aber sonst längst zurückgezogen. Die Gegendemonstrationen sind dadurch kleiner geworden. Geblieben sind unter anderem aufgebrachte „Antifa“-Anhänger und andere Aktivisten, die vor allem laut sind. Und selbstherrlich. Nach dem Motto „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“wehren sie sich nicht nur gegen Rechtsextremisten und menschenverachtende Populisten, sondern auch gegen die Polizei, die verhindern muss, dass sich die Gruppen prügeln. Jeden Montag versuchen sie das im Hauptbahnhof und verlassen sich darauf, dass die Polizei sie schon an der eigenen Gewaltlust hindern wird.
Es ist eine montägliche Verabredung zur gegenseitigen Existenzberechtigung: Wo wäre der Sinn einer „Antifa“, wenn es keine Rechtsextremisten gäbe? Wo die aus der „Dügida“-Gruppe montags wären, wenn nicht allwöchentlich die Gegendemonstranten mobil machten, ist jedenfalls wohl klar: längst wieder in der Bedeutungslosigkeit versunken, die sie verdienen.
Einen satten siebenstelligen Beitrag hat sich der Steuerzahler die Durchsetzung der Versammlungs- freiheit bis jetzt kosten lassen, die eines der höchsten Güter des Grundgesetzes ist. Es ist die Krux der Demokratie, dass sie auch jenen zur Verfügung steht, die sie verachten. Darauf beruft sich auch das Düsseldorfer Verwaltungsgericht, das die Interessen von allwöchentlich mehr als 100 000 Fahrgästen der Rheinbahn, ungezählten Autofahrern, etlichen Einzelhändlern und Gastronomen im Bahnhofsviertel hinter die einer kleinen Gruppe von Extremisten stellt.
Der Unmut der Stadtgesellschaft wächst, die sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass sich der Rechtsstaat von bauernschlauen Extremisten vorführen lässt. Zugleich ist ein Ende der wöchentlichen Demo-Rituale am wichtigsten Verkehrsknotenpunkt der Stadt nicht abzusehen. Schwer erträglich, wenn diese Provokationen noch länger weitergehen sollen.