Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
RWE fliegt aus Europas erster Börsenliga
Nach der Talfahrt der Aktie muss der angeschlagene Energiekonzern nun den Euro-Stoxx verlassen. Die Kommunen fordern von RWE-Chef Terium, wenigstens die Dividende konstant zu lassen. Der Aufsichtsrat tagt am 18. September.
ESSEN Für den zweitgrößten deutschen Energiekonzern kommt es knüppeldick. Nun muss RWE auch noch die erste Börsenliga EuroStoxx verlassen. Zum 21. September werde stattdessen der Gesundheitskonzern Fresenius in den EuroStoxx aufsteigen, teilte die Deutsche Börse mit. Der EuroStoxx zählt zu den führenden Barometern und bildet die Kursentwicklung der 50 wichtigsten Unternehmen der Euro-Zone aus verschiedenen Branchen ab. Da sich viele Indexfonds an der Zusammensetzung des EuroStoxx orientieren, müssen sie nun RWE-Aktien verkaufen und Fresenius-Papiere kaufen. Das drückte den RWE-Kurs gestern weiter.
Unter der anhaltenden Talfahrt leiden auch die Kommunen, die 25 Prozent an dem Essener Konzern halten und bei dauerhafter Wertminderung Abschreibungen vornehmen müssen. Sie fordern nun, dass der Konzern wenigstens seine Dividende konstant hält. „Wir gehen davon aus, dass RWE die Dividende für 2015 unverändert bei einem Euro pro Aktie lässt. Andernfalls sollte uns der Vorstand erläutern, warum dies nicht möglich ist, bei den Einsparungen hat der Konzern schließlich seine Hausaufgaben gemacht“, sagte Ernst Gerlach, Geschäftsführer des Verbandes kommunaler RWE-Aktionäre (VKA), unserer Zeitung. „Schon 2014 haben die Kommunen wie alle RWEAktionäre eine Halbierung der Dividende hinnehmen müssen, zudem leiden sie unter dem Absturz des Börsenkurses.“
Analysten erwarten für 2015 eine Kürzung der Dividende auf 80 bis 50 Cent je Aktie. Finanzvorstand Bernhard Günther hatte erklärt, dass RWE zu gegebener Zeit einen Hinweis zur Dividende geben werde.
RWE leidet unter den Folgen der (verschlafenen) Energiewende und dem Fall der Großhandelspreise. Immer mehr Kraftwerke schreiben rote Zahlen. Am 18. September kommt nun der Aufsichtsrat zusammen, um weiter über Umbau und Wege aus der Krise zu beraten, wie es in Aufsichtsratskreisen heißt. RWE-Chef Peter Terium will den Konzern zu einem Stammhaus umbauen und 33 Tochtergesellschaften auflösen. Auf der Sitzung wollen Gewerkschaften und Anteilseigner von ihm auch wissen, wie es mit dem abgestürzten England-Geschäft weitergeht. Sie wollen Maßnahmen sehen, die über das Rauswerfen der Vorstände in England hinausgeht.
Am Rande der Sitzung wird auch über vier Top-Personalien beraten, wenngleich sie noch nicht auf der Tagesordnung stehen. RWE will im Vorstand künftig vier operative Vorstände haben (derzeit gibt es einen). So soll Matthias Hartung, Chef der Kraftwerkssparte, in den Konzernvorstand aufrücken. Er soll dort für die Erzeugung verantwortlich sein.
Auch Arndt Neuhaus, derzeit Chef der RWE Deutschland AG, soll Konzernvorstand werden und künftig für das Netzgeschäft verantwort- lich sein. Neuhaus genießt das Vertrauen der Kommunen. Er gehörte vor vier Jahren bereits zum Kreis der Manager, die auf der Suche nach einem neuen Konzernchef in eine Auswahl kamen, aus der dann Terium siegreich hervorging. Entsprechend argwöhnisch schaue der Niederländer auf Neuhaus, heißt es.
Noch nicht in trockenen Tüchern ist die Besetzung der beiden anderen operativen Vorstände. Hildegard Müller vom Branchenverband BDEW wird als RWE-Vorstand für Ökostrom gehandelt. Der Verband will sich zu Personal-Spekulationen nicht äußern. Als neuer Vorstand für den Vertrieb ist nun Martin Herrmann, derzeit Chef des OsteuropaGeschäftes von RWE, im Gespräch.
Offen ist das Rennen um den Aufsichtsratsvorsitz. Werner Müller und Werner Brandt sind im Gespräch. Womöglich wird ein Paket für Vorstand und Aufsichtsrat geschnürt. Eine RWE-Sprecherin sagte: „Zu Aufsichtsrats-Angelegenheiten äußern wir uns nicht.“