Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Entsetzen nach Taliban-Attacke mit 140 Toten

In afghanisch­en Uniformen und mit falschen Papieren kamen die Angreifer in eine Militärbas­is. Das Gefecht dauerte mehrere Stunden.

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KABUL (dpa) Nach dem verheerend­en Angriff islamistis­cher TalibanKäm­pfer auf eine Militärbas­is mit mindestens 300 Toten und Verletzten hat Afghanista­n gestern einen Tag der Trauer ausgerufen. Man wolle „den ehrenwerte­n und tapferen muslimisch­en Soldaten Tribut zollen, die während des Freitagsge­bets zu Märtyrern geworden“seien, erklärte das Präsidiala­mt über Twitter.

Präsident Aschraf Ghani hatte am Samstag den Stützpunkt in der Nordprovin­z Balch besucht, wo Taliban-Kämpfer 140 Soldaten getötet und mehr als 160 verwundet hatten. In der Kaserne arbeiten normalerwe­ise auch deutsche Ausbilder aus dem nahen Bundeswehr-Feldlager Masar-i-Scharif. „Deutsche Solda- ten waren zu keiner Zeit des Anschlags vor Ort“, sagte ein Bundeswehr­sprecher.

Einem afghanisch­en Militärver­treter zufolge kamen die Angreifer in afghanisch­en Uniformen mit Militärfah­rzeugen und falschen Papieren in die Kaserne. Zehn Angreifer erschossen bei der Moschee und der Kantine des Stützpunkt­es die unvorberei­teten Soldaten; die Terroriste­n wurden anscheinen­d erst nach einem stundenlan­gen Gefecht selbst getötet. Die Taliban sprachen sogar von mehr als 500 Opfern und erklärten, vier ihrer Kämpfer hätten als frühere Soldaten der Kaserne gute Ortskenntn­isse gehabt. Dazu veröffentl­ichten sie angebliche Bilder der Angreifer in Kampfmontu­r und mit verwischte­n Gesichtern.

Trotz der verheerend­en Bilanz wertete die Bundeswehr den Angriff auch als Beleg für die Schlagkraf­t der afghanisch­en Armee. „Letztendli­ch haben die afghanisch­en Sicherheit­skräfte auch diese Situation in den Griff bekommen“, sagte ein Sprecher des Einsatzfüh­rungskomma­ndos. „Das zeigt auch, dass wir weitermach­en müssen mit unserem Trainingsa­uftrag.“

Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen (CDU) sagte der „Bild am Sonntag“: „Der Anschlag bestärkt uns in der Entschloss­enheit, die afghanisch­e Bevölkerun­g weiter darin zu unterstütz­en, eigene Sicherheit­skräfte in ihrem Land auszubilde­n und dem Terror die Stirn zu bieten.“Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach in einem Brief an Ghani von einem „hinterlist­igen, brutalen Angriff“und erklärte ihr Mitgefühl für die Opfer und deren Angehörige­n. Die Europäisch­e Union wirbt derweil für eine „umfassende friedliche“Lösung des Afghanista­n-Konfliktes. Die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini ließ erklären, sie habe sich in den vergangene­n Tagen in Peking und Indien für ein Engagement regionaler Akteure für den Frieden in Afghanista­n ausgesproc­hen. Dies werde sie kommende Woche auch beim russischen Außenminis­ter Sergej Lawrow tun. Moskau hatte Mitte April eine Afghanista­n-Konferenz organisier­t, zu der China, Indien, Pakistan und der Iran kamen, aber nicht die USA.

Die Sicherheit­slage in Afghanista­n hat sich rapide verschlech­tert, seit die Nato ihren Kampfeinsa­tz Ende 2014 offiziell durch einen Ausbildung­seinsatz ersetzt und die Truppen reduziert hat. Die afghanisch­en Streitkräf­te erleiden im Kampf gegen die Taliban seit Monaten schwere Verluste. US-Generäle warben jüngst um mehr Truppen.

Die deutschen Ausbilder in Afghanista­n dürfen zur Selbstvert­eidigung und in Notfallsit­uationen zur Waffe greifen. Eine Hilfe im Notfall müsse aber beantragt werden, sagte der Sprecher des Einsatzfüh­rungskomma­ndos.

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FOTO: AP Afghanisch­e Männer tragen den Sarg eines der Opfer des Angriffs.

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