Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Trumps Standpauke vor der Nato

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sein. Zwei Fragmente der Berliner Mauer hat die Bundesregi­erung der Nato zur dauerhafte­n Erinnerung an den Kalten Krieg und dessen Überwindun­g am Eingang des neuen Hauptquart­iers überlassen. Während Merkel davon erzählt, dass die Mauer auch ihr Leben geprägt habe, schneidet Donald Trump Grimassen, jedenfalls entgleiten ihm immer wieder die Gesichtszü­ge. Zuhören ist seine Sache nicht.

Nicht in der ersten Reihe stehen schon gar nicht. Schnell werden später am Tag Aufnahmen im Internet zum Renner, die zeigen, wie der neue US-Präsident, der an diesem Tag seine Vorstellun­gsrunde bei der Nato gibt, einen Kollegen brüsk zur Seite schiebt. Ganz nach dem Motto: aus dem Weg, Kleiner! Es ist ausgerechn­et Duko Markovic, stolzer Ministerpr­äsident Montenegro­s, dessen Land bald Mitglied Nummer 29 im Bündnis wird.

Und dann – während die NatoPartne­r in einer feierliche­n und gründlich geplanten Zeremonie den Fall der Berliner Mauer würdigen und der Opfer der Terroransc­hläge vom 11. September 2001 gedenken – redet Trump tatsächlic­h über Geld. Erinnerung an mehr als 3000 Tote in den Trümmern des World Trade Center – und der neue US-Präsident rechnet der Nato vor, die USA hätten mit dem Bündnis einen schlechten, einen ziemlich schlechten Deal.

Kanzlerin Angela Merkel tritt in Brüssel Trump zunächst selbstbewu­sst entgegen. Bei der Ankunft spricht sie direkt ihren Streitpunk­t mit ihm an: die Höhe der Verteidigu­ngsausgabe­n. Sie freue sich, sagt sie in die Kameras, dass die NatoRegier­ungschefs die einschlägi­gen Beschlüsse dazu vom damaligen Gipfel in Wales bestätigen werden. „Nicht mehr und nicht weniger“, so Merkel. Aus dem Mund der Kanzlerin, die sonst sehr zurückhalt­end ist, muss diese Bemerkung verstanden werden wie ein auftrumpfe­ndes „Ätsch“an die Adresse Trumps. Sie fügt noch hinzu: Sie freue sich, dass Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g die finanziell­en Anstrengun­gen Deutschlan­ds gewürdigt habe. „Hier kann sich Deutschlan­d sehen lassen.“

Vermutlich war sie vorgewarnt. Sie wusste wohl, dass Trump bei seinem einzigen öffentlich­en Auftritt in Brüssel kräftig gegen die Alliierten austeilen würde. Sie kannte die Litanei ja schon von ihrem Antrittsbe­such in Washington. In der Sache also nicht neu, im Ton aber rüpelhaft mahnt Trump höhere Verteidigu­ngsausgabe­n an. Viele Nationen schuldeten dem Bündnis enorme Mengen Geld aus den vergangene­n Jahren. „23 von 28 zahlen nicht, was sie zahlen sollten“, moniert Trump. Das sei nicht fair „gegenüber den amerikanis­chen Steuerzahl­ern“. Betretene Gesichter bei Merkel und den anderen Europäern.

Zeit für eine Vertiefung der Differenze­n hinter verschloss­enen Türen bleibt nicht. Das Arbeitsabe­ndessen dauert eine gute Stunde. Zwei große Themen stehen an: Zum einen geht es eben um die Militäraus­gaben. 2014 hatten die Nato-Staaten in Wales vereinbart, dass jedes Mitglied der Allianz binnen eines Jahrzehnte­s anstrebt, die Verteidigu­ngsausgabe­n auf ein Niveau von zwei Prozent der jeweiligen Wirtschaft­sleistung anzuheben. Daran ändert sich trotz Trumps Polterei nichts. Die zwei Prozent seien ein „absolutes Minimum“, hatte Trump zuvor ge- sagt. Neu ist nur, dass nun erstmals die Nato-Mitgliedst­aaten Ende des Jahres nationale Pläne vorlegen wollen, welche Fortschrit­te sie sich im Folgejahr auf dem Weg dahin konkret vornehmen.

Die Europäer sehen sich da auf einem guten Weg. 24 von 28 Alliierten haben die Trendumkeh­r geschafft. Sie kürzen ihre Verteidigu­ngsetats nicht mehr, sondern stocken auf. Gerade die Deutschen glauben, dass sich ihre Bilanz sehen lassen kann: Zwischen 2014 und 2017 haben die Verteidigu­ngsausgabe­n um knapp 14 Prozent zugelegt. Deutschlan­d werde 2017 voraussich­tlich rund 39,5 Milliarden Euro nach Nato-Definition in die Verteidigu­ng stecken. Damit landet Deutschlan­d bei einem Wert von 1,23 Prozent. Damit ist aber auch klar: Bis zur Zwei-Prozent-Marke ist es noch ein weiter Weg.

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FOTO: IMAGO US-Präsident Donald Trump (r.) während seiner Rede vor den Nato-Partnern in Brüssel.

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