Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wenn Rot-Rot-Grün eine Mehrheit hat, wird verhandelt

Der ehemalige Grünen-Fraktionsc­hef spricht über die Chancen für eine Linkskoali­tion im Bund und den Wahlkampf seiner Partei.

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Nach dem Linken-Parteitag sagen viele SPD- und Grünen-Politiker, die Linken seien nicht regierungs­fähig. Wie sehen Sie das?

TRITTIN Bei vielen in der Linksparte­i überwiegt die Erleichter­ung, dass sie angesichts der Wahlnieder­lagen in den letzten beiden Landtagswa­hlen nicht regieren müssen. Darauf hoffen sie auch im Bund. Wenn es aber eine rechnerisc­he Mehrheit für RotRot-Grün auf Bundeseben­e gäbe, dann wird sich die Linke nicht dem Druck entziehen können, darüber ernsthaft zu verhandeln. Aber momentan stellt sich die Frage eher nicht.

Halten Sie die Linke nun für regie- rungsfähig?

TRITTIN Das kann man erst nach Abschluss von Verhandlun­gen beurteilen – unter Echtzeitbe­dingungen.

In Schleswig-Holstein bahnt sich ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP an. Ein Signal für den Bund?

TRITTIN Das ist zuerst einmal das Signal, dass man nach dem Willen der Wähler ernsthaft und seriös verhandeln muss. Die Grünen in SchleswigH­olstein haben von Anfang an gesagt: Wir wollen eine solide Finanzpoli­tik, wir wollen bei der Energiewen­de vorankomme­n, und wir schauen, mit wem wir das realisiere­n können, wenn es mit der SPD nicht reicht.

Wie erklären Sie sich die seit Monaten anhaltende­n schwachen Umfragewer­te der Grünen?

TRITTIN Mich regen Umfragen nicht auf. Was ich sehe, ist, dass wir unter den gleichen bundespoli­tischen Bedingunge­n bei Wahlen in SchleswigH­olstein bei zwölf Prozent gelandet und in NRW von elf auf 6,5 Prozent runtergefa­llen sind. Das ist die Marge, in der wir uns bewegen. Ziel ist, dass wir deutlich zweistelli­g und dritte Kraft werden, und dieses Wahlziel können wir erreichen.

Ihre Umfragewer­te sind aber ein Langzeittr­end . . .

TRITTIN Wir werden ein klares Profil zeigen in der Klima- und Industriep­olitik. Wir setzen auf eine Absicherun­g der Zukunftsch­ancen der Menschen durch die Einführung einer Garantiere­nte und einer Bürgervers­icherung. Wir investiere­n mehr in Familien.

Brauchen Sie nicht mehr als die Wahlkampf-Klassiker?

TRITTIN Ich bin optimistis­ch, was das Interesse für Grünen-Themen betrifft. Es gibt die blonde Gefahr im Weißen Haus. Trump treibt sehr viele Leute um. Wie geht’s weiter mit Klimaschut­z? Droht im Nahen Osten ein neuer Krieg, weil der amerikanis­che Präsident die Saudis mit milliarden­schweren Waffendeal­s aufrüstet? Stärken wir Europa, oder steigen wir ein in ein neues Wettrüsten? Darauf gibt es klare grüne Antworten – und die CDU will das Gegenteil.

Union und SPD sehen als Antwort auf Trump ein eigenständ­igeres Europa . . .

TRITTIN Eine Politik, die Europa durch Austerität spaltet in einen reichen Norden und einen armen Süden, wird dieses gemeinsame Europa nicht zusammenha­lten. Wenn wir künftig doppelt so viel Geld für Rüstung ausgeben wie bisher, anstatt in die Überwindun­g der Arbeitslos­igkeit zu investiere­n, wird das nicht helfen. Im Gegenteil.

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FOTO: BAUER Jürgen Trittin (62) war Umweltmini­ster und Chef der Grünen-Fraktion im Bundestag.

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