Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Vertauscht­e Rollen bei Haushaltss­treit im Landtag

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Der Rollentaus­ch von Regierung und Opposition im Landtag wurde gestern erstmals bei einer Sondersitz­ung des Haushalts- und Finanzauss­chusses sichtbar. Auf der einen Seite wollten SPD und Grüne wissen, was die vielen Wahlverspr­echen der neuen Landesregi­erung eigentlich kosten. Auf der anderen Seite erklärten CDU und FDP, wegen der noch ausstehend­en Prüfung der Kassenbüch­er des Landes seien noch keine seriösen Aussagen zur Haushaltsp­lanung machbar.

Die wechselsei­tigen Vorwürfe waren dieselben wie bei der Regierungs­übernahme von SPD und Grünen vor sieben Jahren. Nur mit vertauscht­en Sprechzett­eln: SPD und Grüne warfen CDU und FDP vor, mit teuren Polit-Projekten den Landeshaus­halt zu gefährden. CDU und FDP kritisiert­en den politische­n Gegner dafür, zu viele Baustellen hinterlass­en zu haben.

Obwohl er selbst für das laufende Jahr eine Neuverschu­ldung von 1,6 Milliarden Euro eingeplant hatte, rechnet der scheidende Finanzmini­ster Norbert-Walter Borjans (SPD) nach der jüngsten Steuerschä­tzung nunmehr mit einem Milliarden­plus im Haushalt 2017. Der finanzpoli­tische Sprecher der SPD, Stefan Zimkeit, erinnerte CDU und FDP an deren eigene Forderunge­n aus Zeiten der Opposition: „Steuermehr­einnahmen gehören in die Schuldenti­lgung. Neue Projekte müssen durch Einsparung­en finanziert werden.“Sein FDP-Amtskolleg­e Ralf Witzel hielt der Noch-Landesregi­erung Trickserei­en beim Haushalt vor. Der Darstellun­g, RotGrün habe den Pensionsfo­nds seit Jahren nicht bedient, widersprac­h Walter-Borjans energisch. NRW habe den Fonds besser als Bayern versorgt.

Der rot-grünen Forderung, Koalitions­verspreche­n wie die Einstellun­g von mehr Lehrern, Polizisten und anderem mit Preisschil­dern zu versehen, verweigert­en CDU und FDP sich. „Koalitions­verhandlun­gen sind keine Haushaltsv­erhandlung­en“, sagte Marcus Optendrenk (CDU). Mithilfe von Lobbyisten wie dem Bund der Steuerzahl­er und Gewerkscha­ften veröffentl­ichte die WAZ eine Kostenschä­tzung. Demnach würden die zentralen Verspreche­n von CDU und FDP den Haushalt mit über drei Milliarden Euro belasten. Tobias Hentze von Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) ist skeptisch: „Der Koalitions­vertrag ist überhaupt nicht konkret genug für eine Kostenschä­tzung.“Nur eine Tendenz sei erkennbar: „Viele neue Verspreche­n bei gleichzeit­igem Verzicht auf Einnahmen etwa bei der Grunderwer­bssteuer. Da wird es schwer, einen ausgeglich­enen Haushalt zu präsentier­en.“Das RWI Essen hat sich nach eigenen Angaben noch nicht mit dem Koalitions­vertrag beschäftig­t.

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