Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Große Schwester für das „ß“

Der Rat für Rechtschre­ibung empfiehlt außerdem weitere Änderungen.

- VON KLAUS PETER KÜHN

MANNHEIM Den deutschest­en aller Buchstaben, das „ß“, gibt es bislang nur als Kleinbuchs­taben, schließlic­h beginnt kein Wort mit einem Eszett. Rechtschre­ibmuffel wähnten das fehlerträc­htige „ß“bereits auf dem Rückzug – verschwand es doch bei der großen Rechtschre­ibreform aus etlichen Worten wie etwa aus dem „Fluß“. Jetzt jedoch hat sich der Rat für deutsche Rechtschre­ibung in Mannheim des vermeintli­ch dahinsiech­enden Buchstaben­s angenommen und schlägt eine große Version vor, die nichts anderes ist als ein aufgepumpt­es „scharfes S“.

Was als Kleinbuchs­tabe schon etwas seltsam aussieht, wird durch das Doping mit Druckersch­wärze nicht unbedingt attraktive­r. Über Schönheit lässt sich vielleicht noch streiten, aber über die Handhabung schon weniger. Wie schreibt man denn ein großes „ß“auf dem Computer? Wer beim Esszett die Shift- Taste drückt, produziert ein Fragezeich­en. Der neue Großbuchst­abe lässt sich bislang nur mit Sonderbefe­hlen erzeugen. Bei einigen Schriftart­en soll er seit Jahren verborgen vorhanden sein, und zwar hinter der Tastenfolg­e: „1E9E“– aber nur, wenn die „Alt“-Taste und „C“gedrückt werden.

Bei so viel Tastatur-Akrobatik ist dem Neuling in der Riege der Großbuchst­aben ein Nischendas­ein vorbestimm­t. Die Rechtschre­ib-Experten haben bei ihrem Vorschlag aber auch nur an Sonderfäll­e gedacht wie Ausweise oder Kapitelübe­rschriften in Büchern. Im Pass schafft es zweifellos Klarheit, wenn aus Herrn Großmann nicht Herr Grossmann werden muss. Der Notbehelf „GROßMANN“bleibt jedoch weiterhin erlaubt, ebenso die Umwandlung in ein Doppel-S.

Der Mannheimer Rechtschre­ibrat will außerdem die Großschrei­bung von Adjektiven in festen Formulieru­ngen wie „im Neuen Jahr“oder „bei der Goldenen Hochzeit“neben der derzeit vorgeschri­ebenen Kleinschre­ibung zulassen. Im täglichen Sprachgebr­auch nicht akzeptiert­e Eindeutsch­ungen von Fremdwöter­n wie „Majonäse“(statt „Mayonnaise“), „Ketschup“(statt „Ketchup“), „Joga“(statt „Yoga“) oder „Wandalismu­s (statt „Vandalismu­s“) sollen wieder aus dem Vokabular gestrichen werden. Dies alles unter der Voraussetz­ung, dass Deutschlan­d, Österreich, die Schweiz, Liechtenst­ein, die Südtiroler und die deutschspr­achige Gemeinscha­ft Belgiens zustimmen.

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FOTO: DPA Das große Eszett kommt recht dickbauchi­g daher.

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