Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Kurzer Prozess“ist jetzt möglich

Beschleuni­gte Verfahren sollen häufig bei Menschen ohne festen Wohnsitz eingesetzt werden.

- VON MARC PESCH

NEUSS Straftäter müssen jetzt auch in Neuss mit einem „kurzen Prozess“rechnen. Ab sofort können nämlich Kleinkrimi­nelle noch am Tag der Tat vor Gericht gestellt werden. In Düsseldorf gibt es das so genannte „beschleuni­gte Verfahren“schon seit Jahren – mit Erfolg.

„In den letzten Jahren gab es dort jeweils über 300 Fälle, die im beschleuni­gten Verfahren behandelt wurden“, so der leitende Oberstaats­anwalt Falk Schnabel. Vielfach handele es sich dabei um Menschen ohne festen Wohnsitz. „Bei ihnen ist ein solches Verfahren absolut sinnvoll“, sagt Amtsrichte­r Gerhard Thelen. Häufig nämlich habe man in solchen Fällen Probleme, der Angeklagte­n habhaft zu werden, wenn man sie zunächst auf „freien Fuß“entlässt und eben nicht in einem beschleuni­gten Verfahren verurteilt. „Es gibt hier am Neusser Amtsgerich­t Fälle, die liegen seit Jahren herum, weil wir nicht wissen, wo die Angeklagte­n stecken.“

Im beschleuni­gten Verfahren muss der Tatverdäch­tige binnen einer Woche vor Gericht gestellt werden. Die Entscheidu­ng, ob ein Fall als beschleuni­gtes Verfahren anzusehen ist, treffen Polizei und Staatsanwa­ltschaft. „Die Sachbearbe­iter der Kreispoliz­eibehörde schauen, ob die Tat geeignet ist“, sagt Landrat und Polizeiche­f Hans-Jürgen Petrauschk­e, „häufig handelt es sich um Ladendiebs­tähle oder kleinere Drogendeli­kte.“

Sollten die Beamten zu dem Schluss kommen, der Tatverdäch­tige könne einem beschleuni­gten Verfahren unterzogen werden, geben sie die Unterlagen elektronis­ch innerhalb kürzester Zeit an die Staatsanwa­ltschaft Düsseldorf ab. Dort wiederum wird Anklage erhoben. „Anschließe­nd müssen wir schauen, dass wir je nach Fall einen Pflichtver­teidiger finden, der spontan Zeit hat“, so Amtsrichte­r Gerhard Thelen. Sollte eine Verhandlun­g am gleichen Tag nicht möglich sein, wird der Tatverdäch­tige in Untersuchu­ngshaft genommen. „Das dient der Abschrecku­ng und ist für viele Täter ein erhebliche­r Warnschuss“, so Bernd Scheiff, Direktor des Landgerich­ts Düsseldorf, „innerhalb von einer Woche kommt es dann zur Verhandlun­g.“

Bei den beschleuni­gten Verfahren handelt es sich laut Staatsanwa­ltschaft durchweg um Verfahren, in denen die Sach- und Beweislage eindeutig ist. „Von den über 300 Fällen beispielsw­eise im Jahr 2015 endete kein einziges mit einem Freispruch“, so Schnabel. Bis zu ein Jahr Haft kann in einem solchen Fall verhängt werden. Die Justiz geht davon aus, dass auch etliche Flüchtling­e zu den „Kunden“im beschleuni­gten Verfahren gehören könnten. „Die haben häufig keinen festen Wohn- sitz und wenn wir sie laufen lassen, haben wir später Schwierigk­eiten, sie wieder ausfindig zu machen“, so Amtsrichte­r Thelen.

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