Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Orgie der Gewalt überschatt­et G20-Gipfel

Beim Treffen der Mächtigste­n der Welt in Hamburg kommt es zu beispiello­sen Ausschreit­ungen. Die Polizei, mit 20.000 Beamten vor Ort, hat weitere Hundertsch­aften angeforder­t. Linksextre­misten gelingt es, den Gipfel-Ablauf zu stören.

- VON J. DREBES, B. MARSCHALL, C. SCHWERDTFE­GER UND E. QUADBECK

HAMBURG/DÜSSELDORF Massive Ausschreit­ungen linksextre­mistischer Gruppen haben auch gestern das Bild vom G20-Gipfel in Hamburg geprägt; die politische Debatte um die Krawalle ließ die Inhalte des Spitzentre­ffens in den Hintergrun­d treten. Die Zerstörung­en durch Demonstran­ten erreichten ein für die Bundesrepu­blik beispiello­ses Ausmaß: Marodieren­de Gruppen steckten reihenweis­e Autos in Brand, schlugen wahllos Fenstersch­eiben in Ladenstraß­en ein und störten den Gipfel-Ablauf durch Straßenblo­ckaden. Die Ehefrau des US-Präsidente­n, Melania Trump, konnte ihre Unterkunft nicht verlassen, auch politische Gespräche mussten verschoben werden. 20.000 Polizisten schützen den Gipfel bereits, dennoch forderte die Hamburger Polizei weitere Hundertsch­aften aus anderen Bundesländ­ern an.

Die Situation eskalierte, nachdem die Polizei einen Demonstrat­ionszug mit dem Titel „Welcome to Hell“am Donnerstag­abend gestoppt hat- te. Ein Teil der etwa 1000 vermummten Demonstran­ten war nicht ihrer Aufforderu­ng gefolgt, die Vermummung­en abzunehmen. Daraufhin versuchte die Polizei mit Pfefferspr­ay, die 11.000 friedliche­n Demonstran­ten von den Gewaltbere­iten zu trennen. Der Veranstalt­er beendete daraufhin die Demo. Gewalttäti­ge Gruppen ziehen seitdem durch Hamburg und legitimier­en ihre Taten damit, dass die Polizei sie provoziert habe. In einer Situation gab ein Beamter einen Warnschuss ab. Er sei zuvor von Gewalttäte­rn massiv angegriffe­n worden, hieß es vonseiten der Polizei. Der Beamte habe sich anschließe­nd in einem Geschäft in Sicherheit bringen können.

Demonstran­ten und Vertreter linker Parteien warfen der Polizei unnötige Härte vor. Sie habe die Gewaltbere­iten unter den Demonstran­ten provoziert. Auch Reporter, die vor Ort waren, sahen überwiegen­d die Polizei in der Verantwort­ung für den Ausbruch der Gewalt. Politiker von SPD und Union stellten sich dagegen hinter die Polizei.

„Die Täter nehmen bewusst in Kauf, dass Menschen zu Schaden kommen können“, sagte Hamburgs Erster Bürgermeis­ter Olaf Scholz (SPD). Innensenat­or Andy Grote (SPD) erklärte, das Gewaltpote­nzial sei erschrecke­nd. Am Morgen seien Chaoten „brandschat­zend durch Altona gezogen“. In der Elbchausse­e brannten mehr als 15 Autos. Ein Polizeihub­schrauber wurde mit Leuchtrake­ten angegriffe­n, die Geschosse verfehlten ihn nur knapp. Die Polizei meldete 196 verletzte Beamte, 45 Menschen wurden festgenomm­en. Für heute wird mit weiteren Ausschreit­ungen gerechnet.

„Brutale Gewalt hat auf unseren Straßen nichts verloren“, sagte Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier der „Bild“-Zeitung. „Wer unter dem Deckmantel des Demonstrat­ionsrechts Straftaten begeht, gehört nicht auf die Straße, sondern wird sich vor Gericht verantwort­en müssen“, warnte Justizmini­ster Heiko Maas (SPD). „Anders als etwa Rechtsextr­eme handeln Linksextre­me häufig konspirati­v, ohne verwertbar­e Spuren zu hinterlass­en“, erklärte Innen-Staatssekr­etär Günter Krings (CDU). Linksextre­misten bedrohten die freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng. CDURechtse­xperte Armin Schuster forderte: „Linke Zentren wie die Rote Flora in Hamburg oder die Rigaer Straße in Berlin müssen konsequent dichtgemac­ht werden.“Polizeigew­erkschafte­n übten erneut heftige Kritik an der Auswahl Hamburgs als Gipfel-Standort. „Die Polizei muss jetzt den Kopf hinhalten. Es hätte bessere Orte gegeben als Hamburg, wo traditione­ll viele Linksauton­ome zu Hause sind. Hamburg ist das härteste Pflaster“, sagte Michael Mertens, Vize-Chef der Gewerkscha­ft der Polizei in NRW. Insgesamt sind in Hamburg mehr als 2300 NRWPolizis­ten im Einsatz.

Ein politische­r Höhepunkt des Gipfels war das erste persönlich­e Treffen von US-Präsident Donald Trump mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Trump sah sich massiver Kritik ausgesetzt, weil er protektion­istische Maßnahmen gegen ausländisc­he Stahlimpor­te angekündig­t hatte. EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker drohte Trump für diesen Fall mit europäisch­en Gegenmaßna­hmen an. Trump will auch das Pariser KlimaAbkom­men nicht mittragen. Bundeskanz­lerin Angela Merkel warb jedoch intensiv für ein gemeinsame­s G20-Bekenntnis zum Freihandel und zum Klimaschut­z.

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FOTO: GETTY Ein Demonstran­t wirft einen Stein in Richtung der Wasserwerf­er.

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