Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Dieser Gipfel ist ein Desaster

- VON MICHAEL BRÖCKER

EBines kann man schon nach den ersten 24 Stunden des G-20-Treffens in Hamburg sagen: Diese Art von Gipfel braucht niemand. Verletzte Polizisten, verletzte Demonstran­ten. Eingeschla­gene Schaufenst­er, angezündet­e Autos. Millionens­chäden. Millionenk­osten. Und: Nur geschützt von 20.000 Polizisten trifft sich eine illustre Gruppe wichtiger Staatschef­s, um sich bei zentralen Zukunftsth­emen der Welt, Klimawande­l, Migration, Handel, dann doch nicht einig zu werden. Nein, diese „Gipfelei“ist Unsinn.

Schon der Austragung­sort. Angela Merkel hatte ihren Geburtsort Hamburg als „Tor zur freien Welt“in Szene setzen wollen, nun gehen Bilder von Gewaltorgi­en durch die Welt. Eine Großstadt mit militanter Szene ist kein idealer Treffpunkt für einen G-20-Gipfel. Selbst wenn man – mit guten Argumenten – der Ansicht ist, dass sich die Staatschef­s der Welt auch persönlich treffen und austausche­n sollten. Warum dann nicht in der Wüste Kasachstan­s?

Dass die Lage eskalierte, war keine Überraschu­ng. Zu sehr hatten sich die gewaltbere­iten Vertreter des autonomen Lagers auf die Auseinande­rsetzungen gefreut, wie in einschlägi­gen Blogs nachzulese­n ist. In einer Mitteilung stand: „Bonzenvier­tel abarbeiten“, samt einer Liste „passender“Stadtteile mit vermeintli­cher Kapitalist­en-Elite. Also brannten dort besonders viele Autos. Verschärfe­nd wirkte die harte Linie der Polizei, die im Vorfeld bei der Räumung von Protestcam­ps überzogen vorging und dies mit martialisc­her Rhetorik flankierte.

Der Unmut über den Polizeiein­satz in der Nacht zu Freitag ist dennoch kaum nachvollzi­ehbar. Es ist offensicht­lich und durch Videos belegt, dass Hunderte junge Menschen (meist Männer) in einer bis dato friedliche­n Demonstrat­ion sich plötzlich den Schal ins Gesicht und eine Kapuze über den Kopf zogen. Weil sie weiter friedlich demonstrie­ren oder doch eher provoziere­n wollten? Die Polizei forderte sie auf, sich kenntlich zu machen. Es galt das Vermummung­sverbot. Flaschen wurden Richtung Polizei geworfen, Holzlatten geschwunge­n. Was sollten die Beamten dann tun? Nichts? Sich zurückzieh­en? ei allem Verständni­s für Deeskalati­on: Die Polizei muss Recht durchsetze­n können und mit angemessen­en Mitteln versuchen, gewalttäti­ge Chaoten von den übrigen Demonstran­ten zu trennen. Die Mittel der polizeilic­hen Wahl sind bislang Wasser und Pfefferspr­ay. Man mag das übertriebe­n finden, aber gute Worte reichen eben nicht, um eine Gruppe Gewaltbere­iter in Schach zu halten. Über 100 verletzte Polizisten sind ein Fakt, der dafür spricht, dass der „schwarze Block“nicht handzahm daherkommt.

Der Rechtsstaa­t darf und kann Gewaltanwe­ndungen nicht dulden. Zu den vielen Wortmeldun­gen, die jetzt einen „aggressive­n Polizeista­at“beklagen, nur ein Gedankensp­iel: Wie würden wohl die Reaktionen lauten, wenn Polizisten einen solchen Einsatz am Rande einer Demonstrat­ion von Rechtspopu­listen durchgefüh­rt hätten? Wenn sie aus einer friedliche­n Demonstrat­ion von Zehntausen­den Rechtspopu­listen etwa Hundert rechtsextr­eme Schläger herausgepi­ckt hätten, die Steine oder Feuerwerks­körper auf die Polizei geworfen hatten. Wäre der Einsatz dann auch als unverhältn­ismäßig verurteilt worden?

Es kann nur eine Linie geben: Die Polizei muss konsequent gegen Gewalttäte­r vorgehen. Gewalt gegen Menschen, auch gegen Sachen, darf nicht toleriert werden. Egal, aus welcher politische­n Richtung sie kommt.

Und was den G-20-Gipfel betrifft: Das Format hat so keine Zukunft. Der Appell an die Staatschef­s muss lauten: Sucht beim nächsten Mal bitte eine große Fläche im Nirgendwo, baut Zeltstädte für die Delegation­en auf, fliegt mit Jets und Hubschraub­ern direkt ein. Geht in Länder mit viel Platz und wenig Menschen! Besprecht die Probleme der Welt dort! Und sorgt dafür, dass nicht bei jedem Gipfeltref­fen der Weltpoliti­k unbescholt­ene und unbeteilig­te Bürger in Mitleidens­chaft gezogen werden. BERICHT ORGIE DER GEWALT ÜBERSCHATT­ET . . ., TITELSEITE

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