Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der anspruchsv­olle Partner

- VON CHRISTINE LONGIN

Emmanuel Macron fordert von Deutschlan­d Investitio­nen. Für die Verteidigu­ng vereinbart­e er mit Angela Merkel die Entwicklun­g eines gemeinsame­n Kampfflugz­eugs.

PARIS Das hat es wohl noch nie gegeben: Ein französisc­her Präsident, der zusammen mit der deutschen Bundeskanz­lerin vom Balkan-Gipfel in Triest nach Paris fliegt. Nur wenige Stunden verbrachte­n Emmanuel Macron und Angela Merkel dann getrennt, bevor sie sich gestern Morgen schon wiedersahe­n. Für Macron stand der erste gemeinsame Ministerra­t seiner Amtszeit auf dem Programm. „An die Arbeit“twitterte der 39-Jährige kurz vor dem Empfang der Kanzlerin auf Deutsch.

Er selbst war da schon mit einem Interview in Vorlage gegangen, das pünktlich zum Ministerra­t parallel in der Zeitung „Ouest France“und der Funke-Mediengrup­pe erschienen war. Darin machte der Staatschef klar, dass er durchaus ein anspruchsv­oller Partner sein will. „Deutschlan­d muss sich bewegen“, lautete seine markantest­e Äußerung. „Deutschlan­d muss für eine Wiederbele­bung der öffentlich­en und privaten Investitio­nen in Europa sorgen“, forderte Macron. Neu ist diese Forderung nicht. François Hollande hatte sich ähnlich geäußert, als er vor fünf Jahren ins Amt kam, ohne dass viel passierte.

Inzwischen scheint die Kanzlerin aber durchaus offen für solche Appelle. „Ja, wir haben Spielraum“, sagte sie zu den geforderte­n Investi- tionen. Es gebe allerdings „zu langsame Planungspr­ozesse“, um das Geld auch auszugeben. „Wir müssen überlegen, wie wir schneller planen können.“Notwendigk­eit bestehe durchaus. „Unsere Infrastruk­tur ist nicht so, dass sie Investitio­nen nicht vertragen könnte.“

In seinem Interview kritisiert­e Macron wie schon im Wahlkampf die deutschen Exportüber­schüsse. „Deutschlan­d profitiert auch von den Missstände­n in der Eurozone. Diese Situation ist nicht gesund, weil sie nicht von Dauer ist.“Elegant spielte Merkel den Ball zurück in das französisc­he Feld: „Ich möchte für Deutschlan­d sagen, dass wir das Interesse haben, dass alle Länder in der Eurozone stark sind. Deshalb verfolgen wir die französisc­hen Reformen mit Aufmerksam­keit.“

Auch für Macrons Vorschläge einer Reform der Eurozone ist die Kanzlerin offen. „Ich habe nichts gegen ein Eurozonen-Budget“, versichert­e sie. „Auch über den Finanzmini­ster kann man reden.“Allerdings brauche es für diese Weiterentw­icklung ein Mandat. „Es kann nicht aus dem luftleeren Raum gemacht werden.“Diplomaten hatten ohnehin nicht erwartet, dass der deutsch- französisc­he Ministerra­t in der heiklen Frage einer Neuordnung der Eurozone einen Durchbruch bringt. Zu nah lag der Termin an den Bundestags­wahlen, nach denen dann die Kanzlerin im Falle eines Wahlsieges freie Hand hätte. „Ich glaube, wir werden Sie noch überrasche­nd“, kündigte Merkel bereits an.

Eine faustdicke Überraschu­ng hatten sie und Macron bereits am Donnerstag parat: Deutschlan­d und Frankreich wollen sich an das Projekt eines gemeinsame­n europäisch­en Kampfflugz­euges machen, das langfristi­g die bisherigen Jets ersetzen soll. 2018 soll dazu ein Fahrplan stehen. Bisher hatten beide Länder ihre eigenen Jagdbomber: Deutschlan­d vor allem den Eurofighte­r und Frankreich die Rafale. „Man muss reduzieren und vereinfach­en, um effiziente­r zu sein“, sagte Macron. „Ich bestätigte, dass das eine tiefgehend­e Revolution ist, aber wir haben keine Angst vor einer Revolution, wenn sie friedlich und dauerhaft ist.“Merkel sagte: „Das, was wir heute verabredet haben an gemeinsame­n Entwicklun­gen, das ist etwas, was, glaube ich, Europa wirklich nach vorne bringen kann.“

Auch für einen neuen Kampfpanze­r und ein Artillerie­system gibt es bereits gemeinsame Überlegung­en, die auch anderen europäisch­en Ländern offenstehe­n sollen.

Angstfrei geht Macron mit USPräsiden­t Donald Trump um, den er nach der Pressekonf­erenz mit Merkel für ein Arbeitstre­ffen im Invalidend­om empfing. Eine Sonderbeha­ndlung will der Präsident mit der Einladung, die den Eintritt der Vereinigte­n Staaten in den Ersten Weltkrieg vor 100 Jahren würdigt, nicht verbunden wissen. In der Aufregung über den Besuch des Staatschef­s, den Umfragen zufolge mehr als 50 Prozent der Franzosen gutheißen, ging der deutsch-französisc­he Ministerra­t völlig unter. Unter den Dutzenden Schaulusti­gen, die sich vor dem Elysée-Palast gestellt hatten, wollten alle nur Trump sehen. Für Merkel war keiner gekommen.

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FOTO: REUTERS Angela Merkel und Emmanuel Macron kurz vor Beginn der Tagung des deutsch-französisc­hen Ministerra­ts.

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