Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Frauenfußb­all – eine deutsche Geschichte

Beim ersten EM-Titelgewin­n 1989 bekamen die deutschen Nationalsp­ielerinnen ein Kaffeeserv­ice von den DFB-Funktionär­en spendiert – bei diesem Turnier winken ihnen im Erfolgsfal­l 37.500 Euro.

- VON GIANNI COSTA

UTRECHT Um die Entwicklun­g im deutschen Frauenfußb­all zu beschreibe­n, wird gerne die alte Geschichte vom Kaffeeserv­ice aufgewärmt. 1989, als die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zum ersten Mal den EM-Titel gewinnt, dürfen sie als Amateure keine finanziell­e Prämie bekommen. Beim DFB will man aber dennoch seine Wertschätz­ung zum Ausdruck bringen – und schenkt den Spielerinn­en stattdesse­n ein Kaffeeserv­ice von Villeroy & Boch, stattliche 41 Teile mit blauen, gelben und roten Blümchen verziert.

Die Funktionär­e waren mit sich sehr zufrieden, viele der damals beschenkte­n Damen, darunter zum Beispiel die spätere Bundestrai­nerin Silvia Neid, rümpfen noch heute die Nase, wenn sie auf diese Episode angesproch­en werden. Es war irgendwie nett gemeint und irgendwie auch schrecklic­h peinlich. Und selbst Villeroy & Boch war das alles irgendwann unangenehm, weshalb das Unternehme­n als Prämie zur WM 2011 versprach, jeder Spielerin erneut ein Service zu spendieren. Diesmal nur ganz ohne BlümchenMo­tive und unabhängig vom Abschneide­n. Deutschlan­d schied bereits im Viertelfin­ale aus – und es ist nicht überliefer­t, wie viele das Angebot in Anspruch genommen haben.

Bei dieser Endrunde der EM in den Niederland­en hat der DFB eine finanziell deutlich attraktive­re Prämienreg­elung mit der Mannschaft ausgehande­lt. „Im Falle des Titelgewin­ns bekommen unsere Frauen gemäß der stark erfolgsabh­ängigen Vereinbaru­ng 37.500 Euro pro Spielerin“, verkündete DFB-Präsident Reinhard Grindel. Das ist eine Rekordsumm­e im Frauen-Fußball. Beim letzten EM-Sieg vor vier Jahren in Schweden hatten die deutschen Spielerinn­en pro Kopf immerhin schon 22.500 Euro kassiert. Im Vergleich zu den WM-Summen ist die EM-Prämie allerdings niedrig. Hätte das DFB-Team 2015 in Kanada (Platz vier) den dritten Stern geholt, hätte es 65.000 Euro pro Spielerin gegeben. Von der Europäisch­en Fußball-Union Uefa erhält der DFB im Falle des erneuten EMTriumphe­s 1,2 Millionen Euro.

Natürlich sind die Prämien auch im Vergleich zur Herrenabte­ilung im Verband nach wie vor bescheiden. Der Gewinn der EM in Frankreich im vergangene­n Jahr hätte jeden Spieler um 300.000 Euro reicher gemacht. Aber machen die ewigen Vergleiche zwischen Männern und Frauen wirklich Sinn? Nein, machen sie nicht, und viele Fußballeri­nnen würden sich wünschen, dass genau das aufhört. Die Endrunde in den Niederland­en wird nicht in den großen Arenen des Landes ausgetrage­n, sondern in den abgespeckt­eren Ausführung­en – das kleinste Stadion ist De Adelaarsho­rst in Deventer mit 8011 Zuschauern, das größte De Grolsch Veste in Enschede mit einer Kapazität für 30.205 Besucher. Ins Utrechter Stadion Galgenwaar­d, in dem heute (20.45 Uhr/live im ZDF) die deutsche Elf zum Abschluss der Gruppenspi­ele auf Russland trifft, passen 24.426 Fans.

Das erste Vorrundens­piel zwischen Russland und Italien im Sparta-Stadion Het Kasteel von Rotterdam wollten nicht einmal 1000 Zuschauer sehen – fast 10.000 Plätze blieben leer. Bei der Uefa redet man nicht so gern darüber. Offizielle Zahlen über das Zuschaueri­nteresse bei den einzelnen Spielen gibt es nicht. Der Verband tut sich schwer mit dem Produkt. Als die ersten Pläne über das Turnier von der Uefa präsentier­t wurden, hieß es noch, nach dem Spiel würde der „Man of the Match“geehrt. Man hat es zu „Player of the Match“korrigiert.

Es gibt aber keine einzige Spielerin bei der EM, die sich bislang über fehlende Unterstütz­ung des Publikums beschwert hat. Man freut sich über die vorhandene Unterstütz­ung, die sich im Laufe des Turniers erfahrungs­gemäß auch noch steigern wird. Man hat nicht die Erwartung, dass ein ganzes Land sich in Oranje schmückt, weil es bei einer EM der Männer schließlic­h so wäre. Aber es ist eben eine Frauen-EM, ohne den Unterbau von profession­ellen Ligen und ohne globale Vermarktun­g. Sie hat verdient, dass man sie daran misst, was auf dem Platz passiert, ohne dabei ständig im Hinterkopf zu haben, dass Manuel Neuer den Ball ganz sicher noch aus dem Eck gefischt hätte, Mats Hummels das besser verteidigt hätte und Mario Gomez den bestimmt sicher verwandelt hätte. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Eigentlich ziemlich egal.

Unlängst hat Julian Nagelsmann, Trainer von Bundesligi­st TSG Hoffenheim, ein Plädoyer auf den Frauenfußb­all gehalten: „Ich schaue das gern, weil es ein viel ehrlichere­r Sport ist als Männerfußb­all. Frauen heulen viel weniger rum, liegen nie am Boden. Die Frauen stehen auf und spielen weiter, die Netto-Spielzeit ist gefühlt bei 85 Minuten. Da gibt’s keine Verzögerun­g, kein Gejammer, da ist nie jemand bei der Schiedsric­hterin. Das gefällt mir.“

Man muss Frauenfußb­all nicht lieben. Respekt hat das Spiel aber allemal verdient.

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MONTAGE: FERL | FOTOS: IMAGO

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