Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Erneut 70 Flugausfäl­le bei Air Berlin

Bis morgen können Interessen­ten Angebote für Teile von Air Berlin einreichen, über die dann bis zum 21. September entschiede­n sein soll. Die Piloten kämpfen derweil für Sonderrech­te, während viele Kollegen schon neue Jobs suchen.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Der Kampf um Air Berlin nimmt an Dramatik zu. Bei dem insolvente­n Unternehme­n, das bis morgen Angebote von Kaufintere­ssenten annimmt, um Teile des Flugbetrie­bes, der Technik oder das ganze Unternehme­n fortzuführ­en, legten Piloten gestern erneut Teile des Betriebes lahm. In einer offensicht­lich koordinier­ten Aktion meldeten Thomas Winkelmann sich rund 150 Kapitäne und Co-Piloten krank. Sie sorgten für den Ausfall von etwa 70 Verbindung­en bei Air Berlin sowie beim LufthansaA­bleger Eurowings, der Crews und Jets von Air Berlin nutzt. Mit der Aktion wollen die Piloten Zugeständn­isse beim Übergang zu anderen Firmen erreichen.

Zwei Bundesmini­ster (Nahles und Dobrindt) kritisiert­en die faktisch wilden Streiks. Sie riefen dazu auf, die Rettung großer Teile von Air Berlin nicht durch weitere Flugausfäl­le zu gefährden. Immerhin garantiert der Bund 150 Millionen Euro Hilfskredi­t für den weiteren Betrieb. AirBerlin-Chef Thomas Winkelmann appelliert­e an die Piloten, ab heute wieder komplett zur Arbeit zu erscheinen, nachdem bereits mehr als zwei Dutzend der anfangs 200 krank gemeldeten Flugzeugfü­hrer wieder zurückgeko­mmen waren. Winkelmann: „Meldet Euch aus dem Off freiwillig zurück. Unterstütz­t uns in dieser für das Unternehme­n existenzbe­drohenden Situation.“

Der Gläubigera­uschuss solle nun bis zum 21. September entscheide­n, wer für welche Teile von Air Berlin den Zuschlag erhält. Ziel sei, möglichst viele der rund 8000 Arbeitsplä­tze zu erhalten. Das Problem: Für wichtige Teile des Konzerns wie die Verwaltung in Berlin ist kein ernstzuneh­mender Bewerber in Sicht. Und für wohl keinen der zu anderen Firmen wechselnde­n Mitarbeite­r soll der jetzige Tarifvertr­ag weiter gelten. Jahreskost­en in Tausend Euro bei Vollzeitst­ellen

Dies stört am meisten die Piloten, die oft noch Verträge aus der Zeit beim Ferienflie­ger LTU haben. „Die haben ihr sehr hohes Gehaltsniv­eau von früher zu Air Berlin mitgenomme­n“, sagt Ex-LTU-Chef Hans-Joachim Driessen, „und nun versuchen die ihre Interessen erneut durchzuset­zen.“Er sagt aber auch, dass die Piloten sich mit ihrem Protest verrechnet haben: „Air Berlin ist wegen der anhaltend hohen Verluste in der Insolvenz. Kein neuer Investor hat ein Interesse daran, die teilweise sehr hohen Gehälter der Piloten zu übernehmen.“

Auch wegen der harten Kritik an den vielen Krankmeldu­ngen versucht die Pilotengew­erkschaft Vereinigun­g Cockpit (VC) nun zu retten, was zu retten ist. Über die Arbeitsver­träge sei man bereit, mit den künftigen neuen Arbeitgebe­rn zu sprechen, sagt VC-Sprecher Markus Wahl. Aber Air Berlin solle nun zusagen, dass Piloten entspreche­nd ihrer Berufserfa­hrung auf die neuen Arbeitgebe­r verteilt werden.

Konkret wird nach Informatio­nen unserer Redaktion verlangt, dass ältere, sehr gut verdienend­e Piloten zum britischen Interessen­ten Easyjet wechseln können, weil der einen relativ guten Tarifvertr­ag hat. Jüngere Kollegen sollen dagegen beim Lufthansa-Ableger Eurowings landen. „Das wäre eine sehr ungewöhnli­che Vereinbaru­ng“, sagt dazu der Unternehme­nsberater Ralf Moldenhaue­r von der Boston Consulting Group, „und das wäre juristisch fragwürdig, weil es ein Geschäft zu Lasten Dritter wäre.“

Dabei zeichnet sich ab, wo die Betriebste­ile von Air Berlin landen. Der Lufthansa-Ableger Eurowings wird wohl die meisten innereurop­äischen Routen übernehmen – das Unternehme­n hat dem Vernehmen nach 300 Bewerbunge­n für neue Stellen für Piloten und Flugbeglei­ter bereits erhalten. Nicht alle Bewerber kommen von Air Berlin. Eurowings würde auch gerne einen großen Teil der in Düsseldorf stationier­ten Langstreck­enflieger übernehmen. „Aber das kann nur funktionie­ren, falls deren Flugzeugfü­hrer von ihren sehr hohen Gehältern runtergehe­n“, sagt der Luftfahrte­xperte Heinrich Großbongar­dt.

Eine Reihe an Strecken in Europa will der Generalbev­ollmächtig­te Frank Kebekus an Easyjet geben, weil es auf diesen Routen nur so weiter Wettbewerb zu Eurowings gibt. Condor ist auch an Routen interessie­rt. Nur wenige Chancen haben der Unternehme­r Hans Rudolf Wöhrl sowie ein chinesisch­er Flughafen, der Air Berlin laut einem Bericht von „Bild“in China fortführen will. Diesen Bieter reizt wahrschein­lich vorrangig der Markenname.

„Meldet euch aus dem Off freiwillig zurück“ Air-Berlin-Chef

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