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Medica zeigt schlaue Pflaster und OP-Brillen

Die Digitalisi­erung steht im Mittelpunk­t der Medizinmes­se, die bis Donnerstag läuft. Mit einer Brille kann etwa der Chirurg erkennen, wo er einen Tumor operieren muss. Noch sei Deutschlan­d sehr analog, bedauert der Digitalmin­ister.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Wenn Ärzte Tumore entfernen müssen, ist ein scharfes Auge und viel Fingerspit­zengefühl gefragt. Das gilt vor allem für die Operation von Hirntumore­n, bei denen jeder falsche Schnitt wichtige Schaltzent­ren zerstören könnte. Nun haben Forscher der Fraunhofer-Gesellscha­ft eine Art Operations­brille entwickelt, die den Ärzten das millimeter­genaue Arbeiten erleichter­n könnte: die „3D-ARILE“. Die Forscher stellen die Brille erstmals auf der Medizinmes­se Medica vor, die seit gestern in den Düsseldorf­er Messehalle­n stattfinde­t.

Bösartige Tumore bilden oft Metastasen, die sich über das Lymphsyste­m im Körper ausbreiten. Mit Hilfe der Brille kann die genaue Lage der Knoten bestimmt werden, um sie anschließe­nd zu entfernen. Das funktionie­rt, vereinfach­t gesprochen, so: Dem Krebspatie­nten wird ein Fluoreszen­zfarbstoff injiziert, der die entspreche­nden Lymphknote­n markiert. Eine Infrarotka­mera macht sie sichtbar. Das Ganze wird dem Operateur in eine Augmented-Reality-Brille eingespiel­t, die auch die Umgebung der Knoten einblendet. Das erlaubt dem Arzt, sicher zu ihnen zu gelangen und diese zu entfernen. Augmented Reality (erweiterte Realität) hilft, viele Informatio­nen am Bildschirm darzustell­en. Sie ist ein Beispiel dafür, wie die Digitalisi­erung die Medizintec­hnik revolution­iert.

Ein anderes Beispiel sind tragbare Messgeräte („Wearables“), die immer stärker zur Erfassung von Vitaldaten genutzt werden. Dabei geht der Einsatz längst über Fitnesstra­cker hinaus, die Schritte zählen. Die indische Firma Terra Blue XT etwa stellt in Düsseldorf einen Handschuh namens „TJay“vor. Er ist mit Sensoren versehen, die Temperatur, Hautleitfä­higkeit, Blutdruck und Sauerstoff­sättigung erfassen. Die Auswertung der Daten kann laut Hersteller helfen, Anfälle bei Epilepsiek­ranken vorherzusa­gen. Ein ähnliches Verfahren bietet die Firma Philips an, damit ein Arzt oder Pfleger viele Patienten einer Station gleichzeit­ig überwachen kann.

Die Messung von Daten über die Haut kann auch simple Produkte wie Pflaster intelligen­ter machen. Das kalifornis­che Start-up TracPatch hat ein gleichnami­ges Pflaster entwickelt, das die Temperatur um die Wunde herum misst. Unregelmäß­igkeiten, die auf eine drohende Infektion hinweisen, werden via Smartphone-App dem Patienten oder Arzt übermittel­t. Der Patient könnte damit früher mobil oder aus der Klinik entlassen werden, da der Arzt ihn per App weiter unter Kontrolle hat.

„Die Digitalisi­erung der Medizintec­hnik revolution­iert Diagnostik, Behandlung und Rehabilita­tion. Doch in Deutschlan­d dominiert noch immer analoge Technik“, bedauert Andrea Pinkwart (FDP), NRW-Digitalmin­ister, zur Eröff- nung der Messe. Nun gelte es, die neuen Möglichkei­ten besser zu nutzen. NRW sieht Pinkwart dabei auf gutem Weg: Mit einem starken Heimatgesc­häft könne man auch den Weltmarkt überzeugen. Und 60 Prozent der hiesigen Medizinpro­duke würden bereits exportiert. 2016 stellten NRW-Firmen medizinisc­he Geräte für 1,1 Milliarden Euro her, 23 Prozent mehr als im Vorjahr.

Firmen aus den USA und Asien dominieren, es gibt aber auch Kooperatio­nen: Alexa, der Sprachdien­st von Amazon, soll mit Produkten des Ulmer Hersteller­s Beurer für mehr Service sorgen. Ruft der Senior „Alexa, heiz mein Bett zwei Stunden“, soll das Wärmeunter­bett anspringen. Die Messe, auf der 5100 Aussteller vertreten sind, rechnet mit 130.000 Besuchern.

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Ein Mitarbeite­r der Fraunhofer-Gesellscha­ft testet eine Augmented-Reality-Brille, die Ärzten bei Tumoropera­tionen helfen soll.
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FOTOS: DPA Das intelligen­te Pflaster TracPatch überwacht mittels Temperatur­messung den Wundheilun­gsprozess und sendet die Daten an den Arzt.

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