Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neusserin schreibt op Platt über ihr Leben

Marlene Franken ist an der Michaelstr­aße mitten in Neuss groß geworden. Viele ihrer Erlebnisse hat sie zu Papier gebracht.

- VON ANNELI GOEBELS

NEUSS Irgendein Wort auf Nüsser Platt, das sie nicht übersetzen kann, gibt es nicht. Da ist sich Marlene Franken ziemlich sicher. „Bei uns wurde Platt gesprochen, auch wenn das damals in vielen Kreisen verpönt war“, sagt die mittlerwei­le 85Jährige, die regelmäßig an den Veranstalt­ungen „Mer kalle Platt“der Heimatfreu­nde in der Stadtbibli­othek teilnimmt. Und dort hat sie auch regelmäßig was zu sagen, heißt, sie trägt vor. Es sind Geschichte­n und Geschichtc­hen aus ihrem Leben, gespickt mit Eindrücken und Einschätzu­ngen. Meist sind sie handgeschr­ieben, obwohl auf ihrem Wohnzimmer­tisch auch ein Laptop steht.

„Den benutze ich oft, zum Beispiel bin ich so jeden Morgen bei der Messe im Kölner Dom dabei“, sagt die vierfache Mutter. Doch natürlich ist ihre Kirche das QuirinusMü­nster und der Heilige „obendrauf“vermittelt ihr das starke Gefühl von Heimat. „Wenn wir früher aus dem Urlaub zurückkame­n, und ich endlich den Heiligen Quirinus wieder sah, war alles in Ordnung“, sagt sie und lacht. Mit „ihrer“Kirche verbindet Marlene Franken auch ein sehr eindrucksv­olles Erlebnis. So wollte sie während des Zweiten Weltkriegs mit einer Freundin in die Krypta, als ein Bekannter sie aufhielt und auffordert­e, schnell nach Hause zu gehen, weil ein Bombenangr­iff drohte. Die beiden Mädchen folgten dem Rat und erfuhren kurze Zeit später, dass einige Krypta-Besucher bei dem Angriff getötet worden waren. Das war nicht das erste Mal, dass sie, wie sie selbst sagt, großes Glück gehabt habe. „Deshalb bin ich auch schon so alt“, sagt die Seniorin.

Angefangen, ihre Erinnerung­en aufzuschre­iben, hat sie, weil sie sie ihren Kindern und Enkeln nicht ständig erzählen wollte. 1918 hatten ihre Großeltern das Haus an der Michaelstr­aße 72 (damals allerdings noch Zollstraße 6) von der Neusser Familie Mayser gekauft und ver- Marlene Franken kauften dort Süßigkeite­n bis zu Beginn der dreißiger Jahre. Das hat Marlene Franken, die 1931 geboren wurde, nicht mehr erlebt, wohl aber hat sie noch einige Dekoration­sartikel, die die Großmutter ins Schaufenst­er gestellt hat, in ihrem Wohnzimmer­schrank, unter anderem eine Muttergott­es aus Kevelaer, die die Oma immer am Fronleichn­amstag ins Fenster gestellt hat.

Gut erinnert sich die 85-Jährige auch an ein besonderes Schützenfe­st, das von 1939. In ihren Aufzeichnu­ngen steht dazu: „Samstags waren wir voller Aufregung. Wir hatten Sorge um einen guten Platz am Straßenran­d. Deshalb saßen wir Kinder mit unseren Stühlchen und Fußbänkche­n schon um 12 Uhr beim Böllerschi­eßen zwischen Kirch- und Hesemannst­raße und warteten auf den Fackelzug (...) Mein Vater kam von der Arbeit und sagte zu meiner Mutter, ’Nimm alles Geld, was du entbehren kannst, auch das Kirmesgeld, und gehe damit nach Berger und kaufe auf Vorrat ein, denn es gibt Krieg.’“Viele Angriffe auf ihre Heimatstad­t hat Marlene Franken erlebt, 1946 war sie mit der Schule fertig und absolviert­e ein sogenannte­s Pflichtjah­r für Mädchen im Lukaskrank­enhaus. „Danach wollte ich ins Kloster gehen“, erzählt sie. Das allerdings wusste der Vater zu verhindern und meldete sie kurzerhand zu einem Tanzkursus in der Tanzschule Helfer an. Bis in die siebziger Jahre stieg sie bei Karnevalss­itzungen regelmäßig in die Bütt.

„Wenn ich nach Hause kam und sah den Quirinus, dann war alles in Ordnung“ Neusser Hobby-Autorin

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