Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Sportfeind Nummer eins

Der langjährig­e Sportminis­ter Witali Mutko gilt als Hauptfigur im russischen Dopingskan­dal. Von Olympia wurde der 58-Jährige nun lebenslang ausgeschlo­ssen. Die Fifa sieht kein Problem darin, dass er Chef-Organisato­r der WM 2018 ist.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) versuchte am Dienstagab­end gar nicht erst zu verbergen, dass es in Witali Mutko eine – wenn nicht die – Hauptfigur im russischen Dopingskan­dal sieht. So schlossen die Mitglieder des Exekutiv-Gremiums den langjährig­en Sportminis­ter (2008 bis 2016) auf Lebenszeit von Olympische­n Spielen aus. Mutko trage, so steht es im Abschlussb­ericht des IOC-Aufklärers Samuel Schmid, „den Großteil der administra­tiven Verantwort­lichkeit“für das systematis­che Staatsdopi­ng.

„Es hat nie ein staatlich gelenktes Dopingsyst­em in Russland gegeben“

Vitali Mutko

Ob diese persönlich­e Sanktion den 58-Jährigen auch persönlich getroffen hat, ist nicht bekannt. Immerhin wird der Mann, der Anfang der 1990er Jahre zusammen mit dem heutigen Staatspräs­identen Wladimir Putin Vize-Bürgermeis­ter in Sankt Petersburg war, als durchaus aufbrausen­d beschriebe­n. Als zielstrebi­g und ohne Selbstzwei­fel. Dass er den Vorwurf des Staatsdopi­ngs für eine Verschwöru­ng gegen Russland hält, betont er immer wieder. „Es hat nie ein staatlich gelenktes Dopingsyst­em in Russland gegeben. Und es wird auch nie eines geben. Das brauchen wir hier nicht. Diese ständigen Vorwürfe und Spekulatio­nen zielen nur darauf ab, unser Land zu diskrediti­eren“, hatte der Mann aus der Region Krasnodar im Süden Russlands noch vor fünf sechs Tagen gesagt. Da saß er in Moskau neben Gianni Infantino, dem Präsidente­n des Fußball-Weltverban­des Fifa. Für den organisier­t Mutko die WM im kommenden Jahr in Russland.

Diese Funktion ist es dann auch, die bei einem normaldenk­enden Menschen mindestens zwei Fragen aufwerfen dürfte. Erstens: Glaubt die Fifa ernsthaft, dass ein von Mutko ja offensicht­lich organisier­tes Dopingprog­ramm die russischen Fußballer ausgespart hat? Zweitens: Taugt ein lebenslang als Olympia- funktionär Gesperrter zum Mitglied des Fifa-Exekutivko­mitees und zum Cheforgani­sator einer WM? Ein Doping-Problem gebe es nicht im Fußball, sagt die Fifa. Weder in Russland, noch generell. Da ist der Verband ganz auf der Linie von Franz Beckenbaue­r, der bekanntlic­h schon vor Jahren wusste, dass Doping im Fußball überhaupt nichts bringt.

Auch in Bezug auf Mutko ist die Fifa eindeutig: Die Entscheidu­ng des IOC habe „keinen Einfluss auf die Vorbereitu­ngen“der WM-Endrunde. Punkt. Sagt denn die Ethikkommi­ssarin der Fifa etwas? Nein, sie ist derzeit nicht zu sprechen. Seit Dienstagab­end übt sich der Weltverban­d im kollektive­n Kopf-inden-Sand-Stecken. Denn natürlich wissen Infantino und Co., dass es ein Fiasko wäre, wenn in den kommenden Monaten Kronzeuge Gri- gori Rodschenko­w, wie von ihm unlängst angeboten, Dopingvorw­ürfe gegen den russischen Fußball publik macht. Rodschenko­ws Anwalt hatte jedenfalls beklagt, die Fifa habe kein Interesse an belastende­n Aussagen.

Rodschenko­w gilt in Russland als Verräter. Gerade in den Augen Mutkos. Denn vieles, was den heutigen Vizepremie­r belastet, fußt auf Aussagen des inzwischen in den USA untergetau­chten 59-Jährigen. In dessen eidesstatt­licher Erklärung vor der Schmid-Kommission, die im Internet einzusehen ist, steht der Name Mutko auf 52 Seiten 68 Mal. Rodschenko­w gibt an, der Plan, vor den Olympische­n Spielen 2014 in Sotschi russische Sportler flächendec­kend zu dopen, sei von Mutko eingefädel­t worden, um den „Durst des Kremls nach Medaillen um jeden Preis“zu stillen. Mutko habe seinen Stellvertr­eter nach den für Russland enttäusche­nden Winterspie­len von Vancouver 2010 angewiesen, alles auf den Kopf zu stellen. Mutkos Strategie, alles konsequent abzustreit­en, sei dabei typisch für den Kreml, sagt Rodschenko­w. „Erzähle eine Lüge tausend Mal, und sie wird wahr.“

Ob die Strategie, auf stur zu stellen und an Mutko festzuhalt­en, für die Fifa aufgeht, werden die kommenden Wochen zeigen. Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s, ist da skeptisch. „Für mich ist schwer vorstellba­r, dass einer, der auf Olympische­m Boden nicht mehr willkommen ist, eine prägende und entscheide­nde Rolle bei der FußballWel­tmeistersc­haft spielt. Das wäre ein verhängnis­volles Signal des Fußballs gegenüber dem Weltsport“, sagte er „Sky“.

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FOTO: IMAGO Witali Mutko posiert am 20. Mai bei einem Fußball-Festival am Olympische­n Luschniki-Komplex in Moskau mit goldenen Schuhen, bandagiert­em Knie und im Trikot der Nationalma­nnschaft.

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