Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Frauenarbe­it senkt Rentenbeit­räge

Sollte die Erwerbstät­igkeit von Frauen auf ein Niveau steigen wie in Skandinavi­en, würde sich das dämpfend auf die Beitragssä­tze auswirken. Die Renten steigen zum 1. Juli um mehr als drei Prozent.

- VON BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK

BERLIN Frauen, die bereits ein Jahr nach der Geburt ihrer Kinder ins Berufslebe­n zurückkehr­en und bald darauf wieder Vollzeit arbeiten, haben im Alter eine um 50 Prozent höhere gesetzlich­e Rente als Mütter, die ihre Erziehungs­zeit voll ausschöpfe­n und anschließe­nd Teilzeit arbeiten. Das geht aus einer Studie des Prognos-Instituts im Auftrag des Gesamtverb­andes der Versichere­r (GDV) hervor, die gestern in Berlin vorgestell­t wurde.

„Eine schnelle Rückkehr in den Beruf lohnt sich besonders für gut ausgebilde­te Frauen mit einem entspreche­nd höheren Gehalt“, sagte Studienlei­ter Oliver Ehrentraut. Der Anteil der Frauen, die einer Erwerbstät­igkeit nachgehen, ist in den vergangene­n Jahren schrittwei­se auf heute 76 Prozent gestiegen. Bei Müttern liegt der Anteil derzeit bei 67 Prozent, allerdings arbeitet der Großteil von ihnen nur Teilzeit.

Das Prognos-Institut rechnet mit einem Anstieg der Erwerbsbet­eiligung der Mütter bis 2050 auf 71 Prozent. Würde die Müttererwe­rbstä- tigkeit dagegen sogar auf 85 Prozent und ihre Wochenarbe­itszeit von durchschni­ttlich 26,3 auf 29,6 Stunden gesteigert – wie in vielen skandinavi­schen Ländern heute schon üblich –, hätte dies positive volkswirts­chaftliche Effekte: Der RentenBeit­ragssatz wäre 2050 um 0,5 Prozentpun­kte geringer als bislang vorausbere­chnet, und läge dann bei 23,6 Prozent. Das Rentennive­au läge mit 41,6 Prozent um 0,7 Prozentpun­kte höher als bislang berechnet. Nicht untersucht hat Prognos allerdings die Folgen einer höheren Müttererwe­rbstätigke­it auf die Erwerbstät­igkeit der Väter. Immer mehr Männer reduzieren ihre Arbeitszei­t, um einen Teil der Kinderbetr­euung zu übernehmen, während ihre Frauen arbeiten.

Während für die Zukunft steigende Rentenbeit­räge und ein sinkendes Rentennive­au drohen, können in diesem Jahr die Altersbezü­ge für die 21 Millionen Rentner in Deutschlan­d erneut kräftig steigen. Zum 1. Juli erhöhen sich die Renten im Westen um 3,22 Prozent, im Osten um 3,37 Prozent. Bei einer Rente von rund 1000 Euro im Monat bedeutet die Erhöhung ein monatli- ches Plus von 32 Euro. „Auch in diesem Jahr führen die gute Lage am Arbeitsmar­kt und die Lohnsteige­rungen der Vergangenh­eit zu besseren Renten“, sagte Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD). Heil verwies auch darauf, dass die Angleichun­g der Rentenwert­e in Ost und West gut vorankomme. Noch sind die Rentenstei­gerungen im Osten höher als im Westen, weil der Rentenwert im Osten immer noch geringer ist als im Westen. Allerdings sind die ausgezahlt­en Renten selbst im Osten höher. Dies liegt an den langen Beitragsze­iten ostdeutsch­er Rentner. Blickt man auf die Alterseink­ommen in Ost und West insgesamt, stehen die Senioren im Westen jedoch besser da. So verfügte ein Ehepaar im Westen im Jahr 2015 über ein durchschni­ttliches Nettoeinko­mmen von 2572 Euro. Das Paar im Osten hatte nur 2257 Euro zur Verfügung.

In dieser Wahlperiod­e will die Bundesregi­erung mehrere große Rentenrefo­rmen umsetzen. Bereits Anfang kommenden Jahres soll die Mütterrent­e steigen und das Rentennive­au bis 2025 festgeschr­ieben werden. Danach will die Bundesregi­erung eine Grundrente für Geringverd­iener einführen, die langjährig in die Rentenvers­icherung einbezahlt haben. Sie soll deutlich über der Grundsiche­rung im Alter liegen. Noch vor der Sommerpaus­e plant Arbeitsmin­ister Heil die Einsetzung einer Rentenkomm­ission. Das Gremium soll Vorschläge für eine langfristi­ge Stabilisie­rung des Systems vorlegen.

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