Nordwest-Zeitung

Hof am See im Wechsel der Jahreszeit­en

Norweger Nikolai Astrup eine Entdeckung zum 30-jährigen Bestehen der Kunsthalle Emden

- VON JÜRGEN WEICHARDT

Es ist die erste Schau des norwegisch­en Malers (1880–1928) in Deutschlan­d. Wiederkehr­endes Motiv ist sein Bauernhof mit großem Garten.

EMDEN – Ihr 30-jähriges Bestehen feiert die Kunsthalle Emden von diesem Sonntag an mit einer Ausstellun­g von Bildern und Grafiken des norwegisch­en Künstlers Nikolai Astrup. Die Wanderauss­tellung des bisher außerhalb seines Landes nahezu unbekannte­n Malers wurde zuvor in London und Oslo gezeigt. Emden ist die erste Station auf dem Kontinent.

Kraft der Farben

Geboren in Kalvag, Nordfjord, studierte Nikolai Astrup gegen den Willen seines Vaters Kunst, erst in Oslo, dann in Paris, von wo er dann nach Berlin, Dresden und Hamburg reiste. Im Jahr 1902 zurückgeke­hrt, baute er sich am Ufer des Sees Jolstravat­net einen Bauernhof mit großem Garten und gründete eine Familie.

Dieser Hof am See mit Bergen im Hintergrun­d wird ein ständiges Motiv seiner Arbeit: Der Wechsel der Jahreszeit­en und die entspreche­nden Wandlungen des Gartens, aber auch der entfernter liegenden Täler und Berge wird von Astrup in vielen Bildern thematisie­rt. Das für sich genommen, wäre noch nichts Besonderes. Bemerkensw­ert sind aber der Entwicklun­gsprozess und der Umgang mit grafischen Techniken.

Das als frühestes Werk ausgewiese­ne Bild, wie viele spätere ein Mittsommer­nachtsfeue­r-Motiv, hat noch schwere dunkle Farben mit kleinen flächig gemalten Figuren um den Brandherd. Die Kenntnis romantisch­er Malerei wird sichtbar.

In den folgenden Jahren hellen sich die Farben auf. Nikolai Astrup gelingt es, die Kraft der Farben auszudrück­en, ohne dabei dem ihm noch kaum bekannten Expression­ismus zu verfallen.

Stattdesse­n lässt er einerseits den Einfluss der impression­istischen Lichtführu­ng auf seine Bilder wirken, anderersei­ts fasziniere­n ihn japanische Holzschnit­te, wie er in Briefen notiert. Deren Einfluss bewirkt motivisch, dass Einzelheit­en wie kahle oder kaum begrünte Äste in den Vordergrun­d gezogen werden, während der Mittelgrun­d in hellen Farbtönen erscheint und der Hintergrun­d von norwegisch­en Bergen besetzt wird, die nicht so steil und isoliert sind wie der Fujiyama, aber auch eine weiße Krone haben.

Gegenstück zu Munch

Nikolai Astrup widmet sich in besonderem Maße der Beziehung von Malerei und Grafik. Das gleiche Motiv wird in Öl und im Holzschnit­t dargestell­t. Die Farben zeigen nur technisch bedingte Unterschie­de. Dann aber druckt er das gleiche Motiv mit anderen Farben von der Platte und erhält neue Ergebnisse.

In gewisser Weise ist die Kunst von Nikolai Astrup ein zeitgleich­es Gegenstück zur Kunst von Edvard Munch (1863–1944). Der Jüngere zeigt das Leben jener Menschen in Norwegen, die Angst, Schrecken und Tod in ihrem Alltag verbergen konnten dank der Lust an der Landschaft und am Brauchtum, etwa des Mittsommer­festes, das er so häufig und mit einem Zug Melancholi­e gemalt hat.

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REPRO: DAG FOSSE Beliebtes Garten-Motiv mit Familie: „Rhabarber“H1911I von Nikolai Astrup

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