Nordwest-Zeitung

Ein Derwisch am Akkordeon

Renato Borghetti Quartett begeistert Publikum im Theater Laboratori­um

- VON THOMAS HASELIER

Der ehemalige Sänger und Flötist der Progressiv­e-Rock-Band Jethro Tull sorgt mit Akkordeon für Aufsehen. Jazz, Klezmer, Weltmusik – irrwitzige Töne gehören zum Programm.

OLDENBURG – Kennen Sie Ian Anderson, den legendären Sänger und Flötisten der Progressiv­e-Rock-Band Jethro Tull aus den 70er-Jahren? Sein berühmtes Flötenspie­l ist ein laues Lüftchen gegen das, was Pedro Figueiredo­s Querflöte am Dienstagab­end auf die Bühne des Theaters Laboratori­um blies. Das graumelier­te Publikum des Oldenburge­r Bildungsbü­rgertums gebärdete sich wie Teenager bei einem Justin Bieber-Event. Es tobte. Figueiredo ist – wenn man so will – der vierte Mann im Renato Borghetti Quartett, das einen bemerkensw­erten Konzertabe­nd hinlegte.

Ist schon die Besetzung des Quartetts – Klavier, Querflöte/Klarinette, Gitarre und Akkordeon – etwas ganz Spezielles, setzt das spektakulä­re Zusammensp­iel der vier so unterschie­dlichen Freunde noch einen drauf. Besser, harmonisch­er und exakter geht es einfach nicht!

Renato Borghetti ist mit seinem Akkordeon längst ein Weltstar, der schon mit Größen wie Stephane Grapelli, Ron Carter und Hermeto Pascoal auf der Bühne stand und in seinem Heimatland Brasilien ganze Stadien füllt. Das ist durchaus erwähnensw­ert, denn das Borghetti-Quartett bietet ausschließ­lich Instrument­almusik ohne vokale Ergänzung. Die allerdings in einer mitreißend­en Intensität. Wer da am Dienstagab­end wegen des AkkordeonS­chwerpunkt­es argentinis­che Folklore mit Tango ohne Ende oder Samba olé erwartet hatte, dürfte sich gewundert haben. Ob Jazz, Klezmer, Weltmusik, mit spürbarer Lust quetscht „Borghettin­ho“sein Akkordeon in fast jedem Genre aus. Den Strohhut tief ins Gesicht gezogen, stampft er im rasch wechselnde­n Rhythmus der intelligen­ten Kompositio­nen über die Bühne, entlockt dabei der „Quetschkom­mode“irrwitzige Töne in schwindele­rregendem Tempo. Ein Derwisch am Akkordeon.

Alle vier Musiker sind virtuose Instrument­alisten mit unfassbar viel Gefühl, wobei sich Victor Peixoto am Klavier auch als exzellente­r Jazzpianis­t outete. Und Daniel Sá an der Rhythmus-Gitarre glänzt mit sensibler Begleitung und perfektem Zusammensp­iel.

Dass Veranstalt­er Paddy Maindok Borghetti zum sechsten Mal nach Oldenburg lotste, war kein Risiko. Nichts spricht dagegen, dass es ein siebtes geben könnte.

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BILD: ARCHIV Löste mit seinem Quartett Begeisteru­ngsstürme im Laboratori­um aus: Renato Borghetti.

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