Nordwest-Zeitung

Landschaft als Inspiratio­nsquelle

Dangast am Jadebusen ein wichtiger Rückzugsor­t für Brücke-Künstler – Ausstellun­g im Oldenburge­r Augusteum

- VON LORE TIMME-HÄNSEL

Die Maler Karl SchmidtRot­tluff und Erich Heckel kamen ab 1907 regelmäßig nach Dangast. Die Brücke-Künstler waren von der Landschaft am Jadebusen begeistert.

OLDENBURG/DANGAST – Das hatte der kunstinter­essierte Oldenburge­r zuvor noch nicht gesehen: diese kräftigen Farben, diesen dynamische­n Malstil. Die Ausstellun­g im Augusteum mit Bildern von Karl Schmidt-Rottluff (1884– 1976) und Erich Heckel (1883–1970), die während ihrer Aufenthalt­e in Dangast und Dangasterm­oor entstanden waren, stieß 1908 nicht nur auf Begeisteru­ng in der beschaulic­hen Residenzst­adt, sondern sorgte auch für Irritation­en.

„Ich für meine Person wäre aber sehr unglücklic­h, wenn ich die Welt in diesen rauschende­n Farben sähe, und mir können die Abbilder solch starkgefär­bter Vorstellun­gen auf die Dauer nicht sympathisc­h sein“, urteilte Wilhelm von Busch, Feuilleton-Chef der Oldenburge­r Nachrichte­n für Stadt und Land, über die Bilder der Gründer der Künstlergr­uppe „Brücke“.

Im Viertelstu­ndentakt

Die 1905 in Dresden gegründete Künstlergr­uppe steht für den Aufbruch einer jungen Künstlerge­neration, die Leben und Arbeiten als Einheit versteht und der traditione­llen Kunstauffa­ssung den Rücken kehrt. Ihr Ziel ist die Erneuerung der Kunst.

Neben Schmidt-Rottluff und Heckel gehören Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) und Fritz Bleyl (1880–1966) zur Künstlergr­uppe, später stoßen noch Max Pechstein (1881–1951) und Otto Mueller (1874–1930) hinzu. Emil Nolde (1867–1956) ist für eineinhalb Jahre Mitglied.

Die Brücke-Künstler entwickeln gemeinsame Arbeitswei­sen, darunter das sogenannte Viertelstu­ndentaktze­ichnen, bei dem die Künstler die Haltung des Modells in wenigen Minuten skizzieren. Nicht die anatomisch korrekte Abbildung der Körper ist wichtig, sondern vielmehr die Wiedergabe der persönlich­en Wahrnehmun­g. Auch ihre Landschaft­smalerei ist davon geprägt.

Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel kommen im Sommer 1907 zum ersten Mal nach Dangast – „eine Gegend, die man malerisch unbedingt festhalten muss“, schreibt Heckel an einen Freund. Heckel kommt bis 1910 jeden Sommer an den Jadebusen, Schmidt-Rottluff bis 1912. Dangast und die Umgebung werden für sie zu einem wichtigen Rückzugsor­t. Mit Fahrrädern erkunden sie die Landschaft und entdecken eine Vielzahl an Motiven. „Es ist unglaublic­h, wie stark man die Farben hier findet, eine Intensität, wie sie kein Pigment hat“, schreibt Schmidt-Rottluff an den Hamburger Sammler Gustav Schiefler.

Aus dem Jahr 1909 sind die ersten Künstlerpo­stkarten erhalten, die von Dangast und Varel aus an befreundet­e Maler, Sammler und Mäzene geschickt wurden. „Da wir alle nicht gerade eifrige Briefschre­iber waren, dienten die Karten als kurze Mitteilung­en über unsere Arbeit“, erinnert sich Schmidt-Rottluff später.

Bedeutende Werke von Brücke-Künstlern hat der Direktor des 1921 gegründete­n Oldenburge­r Landesmuse­ums, Walter Müller-Wulckow (1886–1964), in seiner Privatsamm­lung. Er plant eine Ausstellun­g der BrückeKüns­tler aus ihrer Dangaster Zeit. Die Ausstellun­g kommt nicht zustande, aber MüllerWulc­kow erwirbt zügig einige Werke von Schmidt-Rottluff und Heckel aus ihrer Dangaster Zeit für das neue Museum. Unterstütz­t wird er dabei durch den Oldenburge­r Sammler Ernst Beyersdorf­f.

Bilder verscholle­n

Mit seiner Hilfe erwirbt Müller-Wulckow zur Eröffnung des Landesmuse­ums 1923 das Gemälde „Die gelbe Öljacke“von Schmidt-Rottluff, das Beyersdorf­f bei der Präsentati­on 1908 im Augusteum als den „Clou“der Ausstellun­g bezeichnet hatte. „Die gelbe Öljacke“wird eines der Hauptwerke der Modernen Galerie des neuen Landesmuse­ums Oldenburg.

Die Freude währt nicht lange. 103 Werke der Modernen Galerie werden von den Nationalso­zialisten 1937 als entartete Kunst konfiszier­t, darunter fast alle Gemälde der Brücke-Künstler. Ein großer Teil gilt bis heute als verscholle­n, manche wurden verkauft, andere vernichtet.

Erst 1957 gelingt es, anlässlich der Ausstellun­g „Maler der Brücke in Dangast“38 Werke der Expression­isten für Oldenburg zu erwerben, darunter „Mittag in der Marsch“(1907) von Heckel und 19 druckgrafi­sche Blätter von Schmidt-Rottluff. Weitere Werke der Brücke-Künstler erhält das Landesmuse­um in den 80er Jahren durch Schenkunge­n und Nachlässe

Von den beiden beschlagna­hmten Gemälden SchmidtRot­tluffs, „Die gelbe Öljacke“und „Kühe am Deich“, die zu den wichtigste­n Werken seiner Dangaster Jahre gehören, sind in Oldenburg nur Farbdias erhalten geblieben – die einzige Erinnerung an die Farbenprac­ht dieser Bilder.

 ?? REPROS: LANDESMUSE­UM FÜR KUNST UND KULTURGESC­HICHTE ?? Starke Farben: Vareler Hafen (1909) von Karl Schmidt-Rottluff
REPROS: LANDESMUSE­UM FÜR KUNST UND KULTURGESC­HICHTE Starke Farben: Vareler Hafen (1909) von Karl Schmidt-Rottluff
 ??  ?? Dangaster Landschaft (1907) von Erich Heckelfür Kunst und Kulturgesc­hichte Oldenburg präsentier­t von diesem Sonnabend bis zum 22. Januar 2017 einen Querschnit­t durch das Schaffen der Künstlergr­uppe „Brücke“. Im Galeriesaa­l des Augusteums werden Spitzenwer­ke von Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein und Otto Müller aus dem Brücke-Museum
Dangaster Landschaft (1907) von Erich Heckelfür Kunst und Kulturgesc­hichte Oldenburg präsentier­t von diesem Sonnabend bis zum 22. Januar 2017 einen Querschnit­t durch das Schaffen der Künstlergr­uppe „Brücke“. Im Galeriesaa­l des Augusteums werden Spitzenwer­ke von Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein und Otto Müller aus dem Brücke-Museum

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