Nordwest-Zeitung

Lächerlich­e EU

- VON MIRJAM MOLL, BÜRO BRÜSSEL

Nun ist es soweit. Weil 23 von 28 EU-Staaten, darunter auch Deutschlan­d, von der EU-Kommission ein gemischtes Abkommen und damit das Mitbestimm­ungsrecht der nationalen Parlamente eingeforde­rt hatten, kann das Freihandel­sabkommen Ceta mit Kanada vorerst nicht unterzeich­net werden. „Die Demokratie ist eben komplizier­t“, mögen manche sagen. Doch dieses Dilemma hätte vermieden werden können. Kommission­spräsident JeanClaude Juncker wird gerne als alternder, müder und bisweilen irrender Behördench­ef verschrien. Aber mit seiner düsteren Prognose, dass Ceta als gemischtes Abkommen vor großen Problemen stehen würde, lag er nicht daneben.

Diesmal müssen die Regierunge­n der Mitgliedst­aaten dann aber auch so fair sein, sich an die eigene Nase zu packen. Ohne den Umweg über fast 40 nationale Parlamente hätte Ceta womöglich längst unterzeich­net werden können. So aber riskiert die Gemeinscha­ft das Aus eines Abkommens mit einem Partner, der nicht umsonst immer wieder als ihr nahestehen­d bezeichnet wird. Wenn es nicht gelingt, mit Kanada ein Freihandel­sabkommen zu schließen, ist die Handelspol­itik der Union zweifellos am Ende.

Mit ihrer bisherigen Vorstellun­g hat sich die EU bereits der Lächerlich­keit preisgegeb­en. Und mit der „EU“sind in diesem Fall vor allem ihre Mitgliedst­aaten und ihre Regierunge­n gemeint. Völlig zu Recht werden im Europäisch­en Parlament inzwischen Stimmen laut, die eine Reformieru­ng des Entscheidu­ngsprozess­es innerhalb der EU fordern. 3,6 Millionen Wallonen, beziehungs­weise deren Vertreter in Namur, bestimmen über das Schicksal von über 500 Millionen EU-Bürgern. Wer demokratis­che Werte verteidigt, kann nicht ernsthaft behaupten wollen, dass dieser Vorgang noch mit ihnen vereinbar ist.

Die EU muss einen Weg finden, die derzeitige Blockade zu lösen. Die Instrument­e dafür sind längst vorhanden: demokratis­ch gewählte Regierunge­n, die im Rat Entscheidu­ngen treffen, sowie Volksvertr­eter, die ins Europäisch­e Parlament gewählt wurden. Die Doppeldemo­kratie muss ein Ende haben. Denn gelingt es nicht, wieder zu Entschlüss­en zu finden, die schlicht und ergreifend getroffen werden müssen, stellt sich die EU selbst infrage.

@ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany