Zum Sterben schön oder zutiefst lebensbejahend
Kurt Seibert spielt im PFL eines der rätselhaftesten Werke der Musikgeschichte
OLDENBURG – Kurt Seibert, emeritierter Professor für Klavier und Komposition, führte im PFL seine spannende und erkenntnisgesättigte Reihe zu Beethovens Klavierwerken mit vier weiteren Werken erfolgreich fort. Neben drei Werken aus Beethovens Sturmund-Drang-Periode vor 1800 – Rondo C-Dur op. 51/1, Rondo G-Dur op. 51/2 und der häufig in ihrer Bedeutung unterschätzten Sonate Es-Dur op.7 – stellte er die berühmte und geheimnisumwitterte letzte Klaviersonate c-Moll op. 111 in einem recht gut besuchten Gesprächskonzert vor.
Kurt Seibert macht gesprächsweise und stellenweise auch launig und schmunzelnd auf das Ineinander von Zeitumständen, Biografie, allgemeinem Zeitgeist, Ästhetik und kompositorischer Faktur des jeweiligen Werkes aufmerksam. Bemerkenswertes der Partitur wird auch schon einmal kurz vorgespielt, um dem Zuhörer die Gelegenheit zu geben, beim Erklingen des ganzen Werkes auf eine kompositorische Eigentümlichkeit besonders achtzugeben. Das hebt die Klavierabende von Kurt Seibert von einem gewöhnlichen Klavier-Recital ab. Auch die sinnvolle und nachvollziehbare Zusammenstellung des Programms hebt Seiberts Konzept vom Mainstream ab. Der Kontrast zwischen genialischem Jugendwerk – Beethoven war noch keine 30 Jahre – und der letzten Klaviersonate – Beethoven notiert auf dem Autograph den 13. Januar 1822 – war so etwas wie das unterschwellige Motto des in sich runden und sehr konzentrierten Spiels.
Natürlich sind das Rondo in C-Dur und das in G-Dur gegen die beiden Sonaten des Programms nur wohlschmeckende Appetithäppchen, denen aber sehr wohl die nötige Aufmerksamkeit einer ausgefeilten Binnendifferenzierung und eine gelungene Balance von Emotionalität und Intellektualität entgegengebracht wurden. Klug gesetzte Aufschübe und Pausen zeigten, dass der Interpret sich bei zwei typischen – und insofern häufig stereotyp gehandhabten – Stücken wirklich etwas gedacht hatte. Die Sonate Es-Dur op. 7 kontrastiert konstruktive und narrative Strukturelemente. Noch deutlicher schlug der Kontrast der Sonate c-Moll op. 111 zu den übrigen Werken durch: Selbst zwischen den beiden Sätzen wirkt ein starker Kontrast im Rhythmus, im Tempo, in der Stimmung und in der Tonart. Warum gibt es keinen 3. und keinen 4. Satz? Klingt diese Musik wirklich resignativ, zum Sterben schön? Oder enthält diese Musik etwas, was nicht nur zutiefst lebensbejahend, sondern sogar Ausdruck der universalen Kraft sich entfaltenden Lebens ist? Seiberts Interpretation enthielt sich einer Antwort, regte aber zu noch genauerem Hören und Nachfragen an.