EU will Blockaden lösen
Neue Vorschläge für die gemeinsame Politik – Ceta noch nicht tot
STRAßBURG/BRÜSSEL – Während sich die belgischen Regionalregierungen am Dienstagnachmittag noch in einer neuerlichen Krisensitzung berieten, debattierte das Europäische Parlament gestern in Straßburg bereits über die Konsequenzen aus der CetaKrise. Die Blockade der Wallonie, der französischsprachigen Region Belgiens, sowie der Stadt Brüssel, hat in der EU eine Grundsatzdebatte über die Entscheidungsfähigkeit der Gemeinschaft ausgelöst. „Ceta ist nicht tot. Ceta lebt“, bemühte sich Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der Mehrheitsfraktion EVP am Dienstag um Optimismus. „Wir werden mit überwältigender Mehrheit zustimmen“, kündigte der Europapolitiker an – doch wann es zum Votum über das Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada kommt, wagte zu diesem Zeitpunkt niemand zu prognostizieren.
„Wir brauchen klare Zuständigkeiten“, forderte Weber unterdessen in Straßburg. Handelsabkommen sollten nach seiner Vorstellung über zwei getrennte Mandate verhandelt werden – eines für die EU und eines für die Mitgliedstaaten – damit „wir Rechtssicherheit herstellen können und zwar von Anfang an“. Bei Ceta sei „das Kind aber schon in den Brunnen gefallen.“
Denn auch mit einer Zustimmung aller belgischen Regionalregierungen für die Unterzeichnung ist die Rettung noch nicht gelungen. Für die eigentliche Ratifizierung müssen alle nationalen Parlamente der 28 Mitgliedstaaten zustimmen – 38 an der Zahl. Guy Verhofstadt, der Chef der Liberalen im Europäischen Parlament, selbst lange Premier in Belgien, weiß um die komplizierten Regierungsverhältnisse – und hält die Ratifizierung von insgesamt 38 Parlamenten ohnehin für „illusorisch“.
Wohl auch deshalb brachte der Europaabgeordnete eine ganz andere Option ins Spiel. Die Mitgliedstaaten, die auf ein sogenanntes gemischtes Abkommen und damit das Mitbestimmungsrecht ihrer Parlamente gepocht hatten, müssten den Prozess für Ceta schlicht umkehren, schlug er vor. Möglich sei dies am 11. November, wenn die Außenminister zum nächsten Mal in Brüssel zusammenkommen.
Unabhängig davon, ob Ceta am Donnerstag unterzeichnet werden kann, habe der Ratifizierungsprozess in der EU „über Ceta hinaus großen Schaden angerichtet“, sagte Parlamentsvizepräsident Alexander Graf Lambsdorff dieser Zeitung: „Der Ratifizierungsprozess macht Ceta kaputt“– und damit auch die Handelspolitik Europas. Die EU täte deshalb gut daran, nach 2016 der Frage nachzugehen, „welche Zuständigkeiten noch Sinn machen“.
Tatsächlich stehen der EU noch 30 Handelsabkommen bevor, über die früher oder später entschieden werden muss. Ein Abkommen, das rein auf EU-Ebene beschlossen wurde, steht genau deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH): Im April wird das Urteil über den Vertrag mit Singapur erwartet. Sollten die Richter entscheiden, dass die Institutionen in Brüssel ihre Kompetenzen überschritten haben, würde es für weitere Abkommen schwierig, sie anders als Ceta zu behandeln.