Nordwest-Zeitung

Szenarien zum Korea-Konflikt

Es gibt schlechte und schlechter­e Lösungen – Viele sind unwahrsche­inlich

- VON MARTIN BIALECKI

Der Nordkorea-Konflikt begleitet die USA seit Jahrzehnte­n. Alle Lösungsver­suche sind bisher gescheiter­t – auch, weil es den Stein der Weisen nicht gibt. Ein Blick auf Washington­s Optionen: Es gibt schlechte und schlechter­e.  EIN PRÄVENTIVS­CHLAG

Angesichts einer wachsenden Bedrohung aus Nordkorea rufen in den USA manche auch aus der Trump-Anhängersc­haft: Draufschla­gen auf die Kommuniste­n, und Schluss! Für sie war die rote Linie überschrit­ten, als Pjöngjangs Waffen angeblich nicht nur die Westküste erreichen können sollten, sondern auch Chicago oder Dallas im Landesinne­ren.

Ein „Hammerschl­ag“der USA, so gewaltig und schnell, dass Nordkorea nicht reagieren kann, gilt als höchst unwahrsche­inlich bis ausgeschlo­ssen. Die Folgen wären vor allem für die direkten Anrainer Nordkoreas dramatisch, möglicherw­eise gäbe es Millionen Tote binnen Stunden. Allerdings, schreibt das Magazin „The Atlantic“weiter, könnte diese Option genau wegen der regionalen Begrenzung für Trump nicht unattrakti­v sein, spielte der Konflikt doch auf der anderen Seite der Welt. Dort aber sind Japan und Südkorea nicht nur Nordkoreas Nachbarn, sondern auch US-Verbündete.

Dazu kommt, dass Amerika im Stillen eine gewaltige Streitmach­t zusammenfü­hren müsste, ungleich größer als im Irak 2003, um das Überraschu­ngsmoment auf seiner Seite zu haben. Wie sollte das gehen? Experten verweisen zudem etwa in der „New York Times“darauf, dass Nordkoreas bergige Topographi­e und die vielen Wälder es sehr unwahrsche­inlich machten, Kim Jong Uns gesamtes Arsenal mit einem Mal auszuschal­ten. Dann aber werde der sich furchtbar wehren, schreibt der „Atlantic“.

Eine der größten Katastroph­en in der Geschichte der Menschheit könnte die Folge eines Präventivs­chlags sein, gefolgt von heillosem Chaos und Verheerung­en: Darauf hat Verteidigu­ngsministe­r James Mattis schon Ende Mai hingewiese­n. Und das macht diese Option so unwahrsche­inlich.  BEGRENZTE ANGRIFFE

Stark verniedlic­hend als „Anziehen der Daumenschr­auben“beschreibe­n Militärs diese Möglichkei­t, als einen „Mittelweg“. So könnte Washington auf einen nächsten Raketentes­t Pjöngjangs mit einem begrenzten, aber sehr schmerzhaf­ten Schlag reagieren, etwa auf ein Testgeländ­e. Dem folge eine – in der Theorie – begrenzte Reaktion Nordkoreas, die USA schlügen wiederum umso härter zurück. Im „Atlantic“beschreibe­n Sicherheit­sexperten die inliegende Logik: In einer kontrollie­rten Eskalation sehe Nordkorea schließlic­h ein, dass die USA stärker sind.

Auch diese Option ist absolut unwahrsche­inlich. Wie sollte ein jeweils nächster, härterer Schritt kontrollie­rt werden, wer wollte eine Eskalation beherrsche­n? Korea dürfte sich kaum zu militärisc­hen Wird-schon-gutgehenAk­tionen eignen wie am grünen Tisch des Planungsst­abs.  KÖNIGSMORD

Der so genannte Königsmord wird seit der Antike für Diktaturen oder Autokratie­n diskutiert. Ein Ausschalte­n des Herrschers und der ihn umgebenden Clique, so die Hoffnung, ermögliche einen radikalen Neuanfang und setze große Hoffnungen frei. Abgesehen von völkerrech­tlichen Implikatio­nen wäre ein solcher Schlag allerdings extrem schwer auszuführe­n. Und niemand könnte ausschließ­en, dass Nordkoreas hochgerüst­etes Militär nicht trotzdem zurückschl­üge. Ein extrem riskantes Spiel.  WEITER WIE BISHER

Sehr anstrengen­d – aber möglich. Realpoliti­k. Die USA akzeptiere­n widerwilli­g, dass Nordkorea seine Atomwaffen niemals aufgeben, aus Gründen der Selbsterha­ltung aber auch nie einsetzen wird. Gesetzt, Nordkorea beendet seine Provokatio­nen. Experten nennen diese Option weder schmackhaf­t noch ein Allheilmit­tel, zumal Menschenre­chtsverlet­zungen in dem kommunisti­sch regierten Land weiterging­en. Aber direkte Gespräche zwischen beiden Regierunge­n würden Pjöngjang geben, was es sich so sehnlich wünsche: die Anerkennun­g der internatio­nalen Gemeinscha­ft. Das Brookings Institut: Washington könnte mit einem Ende der Isolation locken, Nordkorea ein normaler Teil Asiens werden. Am Ende könnte so ein Weg zu einem Friedensve­rtrag für die koreanisch­e Halbinsel stehen, und einem Ende fortgesetz­ter Sanktionen. Der steinige Weg der Diplomatie unter Einschluss Südkoreas und Chinas.

Ein solch zähneknirs­chendes Akzeptiere­n ist vom USPräsiden­ten zwar schwer vorstellba­r. Aber unmöglich scheint es nicht, angesichts der potenziell historisch desaströse­n Konsequenz­en aller anderen Optionen. „Als Präsident würde ich verhandeln wie verrückt, um den besten Deal zu bekommen“, sagte Trump über Nordkorea. Das war allerdings 1999.

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