Nordwest-Zeitung

Streitpote­nzial

- VON TOBIAS SCHMIDT, BÜRO BERLIN

AfD-Fraktionsc­hefin Alice Weidel nutzt ihren großen Auftritt als Opposition­sführerin bei der Generaldeb­atte im Bundestag für eine schäbige Provokatio­n. Die Frontfrau der Anti-Asyl-Partei betreibt üble Stimmungsm­ache gegen muslimisch­e Flüchtling­e und Kopftuchtr­ägerinnen. Zuwanderer werden mit Straftäter­n gleichgese­tzt. Die PöbelRede der Rechtspopu­listin war ein neuer Tiefpunkt der Legislatur­periode, ein weiterer Tabubruch im Hohen Haus. Einmal mehr macht die Partei klar, dass es ihr um Spaltung und das Schüren von Ressentime­nts geht und nicht um Politik und die Arbeit an Lösungen für die Probleme im Land.

Angela Merkel zuckt dazu mit den Achseln, lässt die Provokatio­nen an sich abperlen. Es hätte der Kanzlerin gut zu Gesicht gestanden, kühl und sachlich auf Weidel zu reagieren und sich nicht auf die Strategie des Ignorieren­s zu versteifen. Die Generaldeb­atte hat aber auch gezeigt, dass die Große Koalition ohne AfD genug Streitpote­nzial in sich trägt. Merkel legt sich auf offener Bühne mit Bundesfina­nzminister Olaf Scholz an und weist ihn in die Schranken, weil er den Daumen auf den Wehretat hält. SPD-Parteiund Fraktionsc­hefin Andrea Nahles unterstell­t CSULandesg­ruppenchef Alexander Dobrindt, er wolle den Rechtsstaa­t aufheben und schade dem Land. Auch gegenüber Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen teilt sie heftig aus. Noch keine hundert Tage ist die neue Regierung im Amt, da knirscht es schon gewaltig und wird heftig gegeneinan­der geschossen.

Die Versuchung, in der Koalition das eigene Profil zu schärfen, mag groß sein. Das verloren gegangene Vertrauen der Wählerinne­n und Wähler werden Union und SPD aber nicht durch offene Fehden und Dauerzank zurückgewi­nnen, sondern nur, wenn sie sich an die Arbeit machen und die vielen Baustellen angehen, die vor ihnen liegen.

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GABRIEL MIT NEUEM JOB

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