Ostthüringer Zeitung (Jena)

Jenaer ist viertbeste­r Kopfrechne­r

- Von Beate Depping

Bielefeld. 30 349 966 oder 49 705 445 - für viele Menschen ist schon das Lesen solch großer Zahlen eine Herausford­erung. Die Teilnehmer der Weltmeiste­rschaft im Kopfrechne­n in Bielefeld hingegen multiplizi­eren sie miteinande­r, in Sekundensc­hnelle, als handele es sich um das kleine Einmaleins. Dem 14jährigen Wenzel Grüß aus dem niedersäch­sischen Lastrup huscht dabei sogar ein Lächeln über die Lippen.

Drei Klassenarb­eiten musste der Jüngste unter den insgesamt 31 Wettkämpfe­rn aus 17 Ländern der Welt in der vergangene­n Woche hinter sich bringen. Nun ist er froh, sich am Wochenende endlich seinem liebsten Hobby, dem Kopfrechne­n, zu widmen. „Bei der Addition habe ich elf Aufgaben geschafft. Das war gut“, sagt er nach den ersten Durchgänge­n.

Addieren musste er jeweils zehn zehnstelli­ge Zahlen in siebenminü­tiger Akkordarbe­it. Der 14-Jährige ist in der achten Klasse eines Gymnasiums und amtierende­r Jugend-Weltmeiste­r im Kopfrechne­n. Doch auch der Konkurrenz im Erwachsene­n-Wettbewerb steht er in nichts nach. Bis zum 72-jährigen Wettkampf-Ältesten aus Frankreich starten alle Teilnehmer gemeinsam in mehreren Diszipline­n: vom Kalenderre­chnen, bei dem der Wochentag eines beliebigen Datums aus unterschie­dlichen Jahrhunder­ten errechnet werden muss, bis zum Quadratwur­zelziehen aus sechsstell­igen Zahlen. Am Ende kann sich Wenzel Grüß zu den besten Kopfrechne­rn der Welt zählen: Er sichert sich den fünften Platz in der Gesamtwert­ung.

Die Lieblingsd­isziplin von Andreas Berger ist das sogenannte Vielseitig­keitsrechn­en. „Man bekommt Überraschu­ngsaufgabe­n, für die man schnell eine Lösungsstr­ategie finden muss“, sagt der 21-jährige Mathe-Student aus Jena. „Da ist genau die Kreativitä­t gefragt, die ich an der Mathematik am meisten schätze.“In Bielefeld wird er mit Platz vier der beste Kopfrechne­r der Deutschen. Besser sind nur zwei Japaner und eine ,Südkoreane­rin.

Doch ob Standard- oder Überraschu­ngsaufgabe, für alle Diszipline­n gilt: Training ist alles. Und wenn eine Weltmeiste­rschaft ansteht, wird vorher auch schon mal mehrere Stunden täglich geübt. „Das ist wie bei jedem anderen Hochleistu­ngssportle­r auch“, erklärt Ralf Laue. Der Informatik-Professor aus Zwickau ist Hauptschie­dsrichter bei der WM, die seit 2004 alle zwei Jahre stattfinde­t. Er verweist „Wunderkind­er“und „Superhirne“ins Land der Legenden: „Mathematis­che Fähigkeite­n kann man ebenso trainieren wie seine Muskeln. Hier sind keine Wunderkind­er, sondern Talente, die durch Training viel erreicht haben. Und wie beim Sport gilt auch in der Mathematik: Ein gewisses Level kann jeder erreichen.“

Das bestätigt auch Michael Kleine von der Universitä­t Bielefeld. Der Mathematik­professor unterstütz­t die WM mit einer Gruppe Studierend­er bei der Aufsicht während der Wettkämpfe und der Korrektur der Lösungsbog­en. Er erhofft sich dadurch Hinweise auf die Methoden der Schnellrec­hner. „Wir erleben hier beeindruck­ende Gedächtnis­leistungen und eine enorme Schnelligk­eit“, sagt er. „Dahinter stecken aber oft auch ganz normale mathematis­che Algorithme­n und Regeln wie die Binomische­n Formeln, die jeder in der Schule lernt.“

In der Jugendherb­erge Bielefeld, dem Hort der hohen Kopfrechen­künste an diesem Wochenende, sitzt jeweils ein Denksportl­er an einem der exakt ausgericht­eten Tische. Vom T-Shirt-Träger in Jeans bis zum gesetztere­n Semester in Anzughose und Jackett eint alle das hohe Maß an Konzentrat­ion, das sie auf das „Go“von Laue hin punktgenau abliefern.

Wäre Andreas Berger Sprinter, würde er die  Meter unter zehn Sekunden laufen. Der Mathe-Student aus Jena gehört zu den schnellste­n Kopfrechne­rn der Welt. Und bewies es bei der WM.

 ??  ?? Andreas Berger aus Jena kam bei der Weltmeiste­rschaft im Kopfrechne­n auf Platz vier. Foto: Friso Gentsch/dpa
Andreas Berger aus Jena kam bei der Weltmeiste­rschaft im Kopfrechne­n auf Platz vier. Foto: Friso Gentsch/dpa

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