Millionenteure Straßen-Abstufungen
Wie immer bei Problemen, die mit Geld zu tun haben, gibt es auch bei Straßen für den Freistaat zwei Möglichkeiten: Weitermachen wie bisher oder die Verantwortung nach unten durchreichen.
Erfurt. Straßen neu einzustufen gehört zum Tagesgeschäft im Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft. In Vorgängerregierungen hieß das Haus, das von Ministerin Birgit Keller (Linke) geleitet wird, einfach Bauministerium.
Sei es drum: Das Geschäft ändert sich deshalb nicht. Oft geht das zum Leidwesen der Kommunen. Denn die müssen mit neuen Eingruppierungen von Straßen leben. Meist läuft das nach diesem Motto: Das Land will Kilometer seines Straßennetzes loswerden, Landkreise oder Gemeinden wollen diese aber nicht haben. Der Grund dafür ist einfach benannt: Die Straßenunterhaltung kostet eine Stange Geld.
Dennoch werden seit jeher in Thüringen jährlich viele Kilometer Straße aus dem Netz genommen und an Kommunen beziehungsweise Landkreise übergeben, die dann auch für die Unterhaltung zuständig sind.
Dagegen begehrt mancher allerdings auf. Seit 2011, so lautet die Auskunft des Ministeriums, sei zum Beispiel ein Klageverfahren der Gemeinde Gerstungen gegen die Umstufung der Landesstraße 2116 anhängig. Das Verwaltungsgericht Meiningen hatte die Klage im Dezember 2013 abgewiesen, seither herrscht Stillstand. Verfahren wie dieses können sich über Jahre hinziehen – meist für die Kommunen mit sehr unsicherem Ausgang.
Die Längenstatistik des Thüringer Landesamtes für Straßenbau und Verkehr besagt, dass die Ausdünnung des Landesstraßennetzes in den vergangenen drei Jahren deutlich zurückgefahren wurde. 2012 verlor der Freistaat 124 Kilometer seines Trassennetzes, ein Jahr später waren es sogar 182. Diesen Wert erreichen die Jahre 2014, 2015 und 2016 zusammen nicht – in diesem Jahr werden lediglich 21 Kilometer Landesstraße abgestuft. Die Investitionen, die im Haushalt dafür vorgesehen sind, liegen bei 3,54 Millionen Euro, wie ein Ministeriumssprecher auf OTZ-Anfrage sagte. Das veranschlagte Geld reiche aus, werde vollständig ausgegeben. Bisher sind 1,4 Millionen Euro investiert worden, das restliche Geld werde bis zum Jahresende in die Straßenunterhaltung gesteckt. Für das nächste Jahr stehen sechs Millionen Euro im Landeshaushalt.
In den nächsten Jahren wird dieses Geld nicht reichen. Bereits jetzt liegt ein umfangreicher Plan der vier Straßenbauämter vor, welche Landesstraßen in 2018 und 2019 abgestuft werden sollen. 65 Landesstraßen oder Teilstücke könnten nach Planungen der Behörden zu Kreis- oder Gemeindestraßen werden. Dass die Planungen vollends aufgehen, daran dürfen allerdings Zweifel laut werden – denn allein die bisher festgesetzten Investitionssummen übersteigen schon die Investitionen in die Straßenunterhaltung der vergangenen zwei Jahre. 11,98 Millionen Euro haben die Straßenbauämter für die Instandsetzung umzustufender Straßen in den Jahren 2018 und 2019 bereits veranschlagt, obwohl die Haushaltsberatungen dafür noch gar nicht begonnen haben.
Beim Ministerium heißt es dazu: „Da die Straßen grundsätzlich in einem ordnungsgemäßen Zustand an die neuen Straßenbaulastträger übergeben werden, wird beim Verwaltungsverfahren für die Umstufung darauf geachtet, wann es den Straßenbauämtern (finanziell) möglich ist, die Straße vor der Umstufung in einen solchen Zustand zu versetzen.“Daher müssten die finanziellen Mittel, die für eine Umstufung notwendig sind, im Auge behalten werden. Gerade einmal 31 Straßen werden allerdings derzeit konkret mit Investitionssummen angegeben.
Zur Instandsetzung ist der Freistaat laut Thüringer Straßengesetz verpflichtet, wenn Straßen an die nachgeordneten Gebietskörperschaften übergeben werden sollen.
Klar geregelt wird das in § 11 Absatz 4 des Gesetzes, der besagt: „Der bisherige Träger der Straßenbaulast hat dem neuen Träger der Straßenbaulast dafür einzustehen, dass er die Straße in dem durch die Verkehrsbedeutung gebotenen Umfang ordnungsgemäß unterhalten und den notwendigen Grunderwerb durchgeführt hat.“
Wie schnell die Umsetzung des Abstufungsplanes indes erfolgt, hängt nicht nur von den Haushaltsberatungen und dem Beschluss für 2018 und 2019 ab. Hat das Ministerium per Allgemeinverfügung eine Abstufung erlassen, kann die Gemeinde sofort den Klageweg beschreiten – Widersprüche gegen die Allgemeinverfügung gibt es nicht.
Beim Ministerium rechnet man bereits damit, dass nicht alle Abstufungen in den nächsten drei Jahren reibungslos laufen werden. Unter Bezugnahme auf die nächsten drei Jahre teilt ein Ministeriumssprecher mit: „Konkrete Angaben zu statistischen Werten sind jedoch nicht möglich, da weder die Dauer der Umstufungs- als auch der Klageverfahren vorab abgeschätzt werden kann.“
Wie im Fall von Gerstungen – hier zieht sich das Klageverfahren seit 2011 hin.