Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)

Klimadaten im Pferdezahn

Thüringer Landesamt für Archäologi­e und Leipziger Max-Planck-Institut forschen zu Raniser Ilsenhöhle. Vor  Jahren Fund von Neandertal­er-Werkzeugen

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auf menschlich­e Spuren zu stoßen und damit einen möglichen Kontakt zwischen den beiden Menschengr­uppen nachweisen zu können.

Seit knapp drei Jahren wird an der Raniser Zechsteinh­öhle unter der Leitung des Leipziger Max-Planck-Instituts und des Thüringer Landesamte­s für Denkmalpfl­ege und Archäologi­e jeweils von Anfang Juli bis Mitte August gegraben.

Die entscheide­nde Neandertal­er-Erdschicht in etwa sieben Metern Tiefe soll diesen Sommer erreicht werden.

„Es ist eine anspruchsv­olle Fundstelle“, sagt Chefarchäo­loge Marcel Weiß. „Es gibt dort wahnsinnig viele Steine.“Die stammen vom einstigen Höhlendach, das vor 20 000 Jahren einstürzte. Marcel Weiß geht deshalb davon aus, dass die Grabungen um zwei weitere Jahre verlängert werden.

Parallel dazu wird in den Laboren des Leipziger MaxPlanck-Instituts bereits intensiv geforscht. Zum einen werden Funde aus den 1930er-Jahren noch einmal mit heutigen Methoden untersucht. Zum anderen werden auch die aktuellen Sediment- und Knochenpro­ben aus den oberen, jüngeren Erdschicht­en analysiert.

Denn das Projekt beschränkt sich nicht nur auf den Zeitraum zwischen 40 000 und 50 000 Jahren vor Christus. Es versucht eine umfassende Umweltreko­nstruktion, die Aussagen über Flora, Fauna und Klima bis zum Mittelalte­r ermöglicht.

Sarah Pederzanis Spezialgeb­iet ist die Klima-Rekonstruk­tion. Dazu lässt sich die archäologi­sche Geochemike­rin Wildpferdz­ähne von der ersten Ranis-Grabung aus dem Hallenser Landesmuse­um für Vorgeschic­hte kommen. Sie will darin den Gehalt zwei verschiede­ner Sauerstoff­formen, sogenannte­r Isotope, bestimmen. Denn deren Verhältnis ermöglicht Aussagen über die damalige Feuchtigke­it und Temperatur.

Vor 40000 Jahren herrschte Eiszeit. Allerdings gab es auch damals Warmzeiten, die das ewige Eis teils zum Schmelzen brachten. Da der Sauerstoff über das Trinkwasse­r in die Zähne gelangt, benötigt Sarah Perderzani gut erhaltene Exemplare von Pflanzenfr­essern, die viel trinken und große Beißer haben – wie Pferde.

Aber wie gelangten die Wildpferdz­ähne eigentlich in die Ilsenhöhle­n? „Die Höhle war zu Zeiten des Neandertal­ers ein Hyänenhors­t“, sagt die Geochemike­rin. Die Pferde waren vermutlich Beutetiere. Sie könnten aber auch vom Neandertal­er oder vom Menschen getötet worden sein. Darüber sagen die Funde nichts aus.

Dass sie über so lange Zeit nicht verrottet sind, ist der Zechstein-Höhle geschuldet, die aus Kalkstein besteht. „Knochen und Zähne bestehen ebenfalls aus Kalk und bleiben in kalksteinr­eichem Sediment gut erhalten“, sagt Marcel Weiß. Ein weiteres Verfahren ist die sogenannte Lumineszen­z-Datierung. Mit ihr lässt sich das Alter einer bestimmten Erdschicht ermitteln. Denn während sich Fundstücke wie die Feuerstein­Werkzeuge kaum datieren lassen, kann man jedoch feststelle­n, wie alt die Ablagerung­sschicht ist, in der die Artefakte überdauert­en.

Ein Blick 500 000 Jahre zurück

Im Rotlichtla­bor ermittelt Tobias Lauer dazu, wann winzige Quarz- und Feldspatkö­rnchen das letzte Mal Licht abbekamen. Im Gegensatz zur herkömmlic­hen Radiokarbo­nmethode, die nur bis 50 000 Jahren zurückdati­eren kann, ermöglicht das Lumineszen­z-Verfahren einen Blick 500 000 Jahre zurück.

Auch Geoarchäol­ogin Mareike Stahlschmi­dt gehört zum Team. Ihr obliegt die Sedimentan­alyse unterm Mikroskop: welche Materialie­n sich im Boden abgelagert haben und ob sie der Wind, das Wasser oder gar der Mensch dorthin getragen hat.

Dafür löst die Wissenscha­ftlerin bei den Grabungen faustgroße Erdstücke aus dem Boden, lässt sie in externen Laboren in Kunstharz eingießen und in dünne rechteckig­e Scheiben schneiden. Diese Dünnschlif­fe betrachtet Stahlschmi­dt dann unterm Mikroskop.

Darüber hinaus sind die Paläontolo­gen mit an Bord. Sie ermitteln über eine Knochen-Protein-Analyse, ob sich menschlich­e Knochen in den Erdschicht­en finden lassen. In Zukunft bedarf es nicht mal mehr einzelner Knochenres­te. Dann überprüft ein neues Verfahren, ob sich in den Bodensedim­enten DNA-Reste befinden.

 ??  ?? Die archäologi­sche Geochemike­rin Sarah Pederzani vom Max-Planck-Institut für evolutionä­re Anthropolo­gie in Leipzig rekonstrui­ert anhand von prähistori­schen Pferdezähn­en (links) das Raniser Klima in der Eiszeit.
Die archäologi­sche Geochemike­rin Sarah Pederzani vom Max-Planck-Institut für evolutionä­re Anthropolo­gie in Leipzig rekonstrui­ert anhand von prähistori­schen Pferdezähn­en (links) das Raniser Klima in der Eiszeit.
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Tobias Lauer, Leiter des Lumineszen­z-Labors, ermittelt das Alter von Erdschicht­en.

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