Ein feste Burg am Kilimandscharo
Die Weimarerin Julia Irene Peters bringt ihren musikalischen Dokumentarfilm „Sing it loud – Luthers Erben in Tansania“ins Kino
Musikfilm, den Peters ohne das Lutherjahr vielleicht nie finanziert bekommen hätte. Jetzt ist unter anderem 3sat mit im Boot, der den Film im Herbst ausstrahlen will.
Ungefähr 6,5 der über 53 Millionen Menschen in Tansania sind Lutheraner. Das hat auch mit Leipzig zu tun, von wo aus Ende des 19. Jahrhunderts Missionare in die Region Arusha aufbrachen; Tansania war Teil der Kolonie Deutsch-Ostafrika.
Willkommen waren sie nicht. Arusha-Krieger töteten 1896 Leipziger Missionare. Eine blutige militärischen Strafexpedition wütete als Antwort unter der Bevölkerung. Erst 1993 feierten die deutsche und die tansanische Kirche ihre Versöhnung. Davon erzählt in Peters’ Film ein animierter historischer Abriss. Im Kern erzählt der Film etwas anderes: vom Chor als sozialem Netzwerk, als Großfamilie, getragen nicht nur von der befreienden Kraft des Singens, sondern von einer starken selbstverständlichen Religiosität. „Dieses von Herzen kommende Gefühl hat mich schwer beeindruckt“, erzählt die Filmemacherin. „Inzwischen beneide ich sie fast für die entspannte Möglichkeit zu glauben.“
Julia Irene Peters selbst wuchs „komplett in der DDR-Kirche“auf. Bis sie volljährig wurde, wollte sie Theologie studieren, „das einzige freie Studium“im deutschen Osten. Doch es kam anders und die Weimarerin studierte zu Hause, an der Bauhaus-Universität, Mediengestaltung. Aufs Diplom folgte die Filmschule Köln. Heute lebt sie in der anderen Stadt Goethes, in Frankfurt am Main.
Bei ihren Recherchen und den Dreharbeiten in Tansania erlebte sie etwas, was sie von früher kannte: die Kirche als Dach, als Ort, an dem man unterkommt. In der DDR, speziell in Oberweimar in ihrem Fall, bot sie den Raum für Oppositionskreise. In Tansania bietet sie den Proberaum für Chöre, die allein auf dem Engagement der Mitglieder selbst beruhen. Es sind Chöre lutherischer Christen. Kirchenchöre sind es nicht.
Wer darin Mitglied ist, gilt auch als hoch angesehenes Mitglied der Gesellschaft, denn er ist zum Beispiel zuverlässig und pünktlich. Einer aus dem Kanaani Jugendchor erzählt im Film, er habe einen Ehemaligen getroffen, der torkelte betrunken zur Disco. Allgemeines Kopfschütteln. „Die Disco ist kein Ort, wo man hingeht“, übersetzen die Untertitel die Unterhaltung. „Besser ist es, sich mit Freunden zu treffen, in der Kirche.“Und getrunken wird auch nicht.
Dafür hilft man sich gegenseitig in vielen Lebenslagen. Solosänger Nuru zum Beispiel bekam über den Chor seinen Job vermittelt.
Der Jugendchor kümmert sich aber auch um Straßenkinder in Arusha. „Leute, habt Mitgefühl“, singen sie in einem ihrer Lieder, zu dem Julia Irene Peters eines der Musikvideos drehte, die sie als Inseln im Film begreift. Sie singen hier von Kindern, „die wirklich leiden und auf Müllhalden essen“. Gutes tun, nicht hassen, fordert ein anderes Chorlied.
„Der Glaube war hier, bevor die Deutschen kamen“, sagt der Kirchenmusiker Hezron Mashauri im unkommentierten Film. Als sie dann da waren, musste man mit den Traditionen brechen, um Christ zu sein.
Insbesondere die Massai hielten an ihrer Kultur aber fest. Es dauerte lange, bis diese in Kirchen Einzug hielt.
Heute dominiert sie die lokalen Kompositionen geradezu. Deshalb ersann die Bäuerin Martha für ihren Neema Chor ein Lied in der Tradition der WaGogo. „Das ist was Neues“, sagt sie auf dem Weg zum Chorwettbewerb und hofft auf Erfolg.
Den wollen alle gewinne. Bei der Busfahrt dorthin entspinnt sich im Kanaani Jugendchor derweil ein kleiner Disput, ob es wirklich darum geht oder darum, „Gott zu loben“.
Es geht auf jeden Fall ums Singen. Der Automechaniker Evarest vom Cantate Chor hofft, es auch nach dem Tod tun zu können, im Himmel.
Dieser klug inszenierte und von Kamerafrau Vita Spieß sehr schön fotografierte Film steuert zielsicher was anderes an: reine Lebensfreude.
Chöre lutherischer Christen, aber keine Kirchenchöre