Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Erdogan droht den Europäern

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Ankara. Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan hat die Europäer vor einer weiteren Eskalation des Streits mit seinem Land gewarnt. „Wenn ihr euch weiterhin so benehmt, wird morgen kein einziger Europäer, kein einziger Westler auch nur irgendwo auf der Welt sicher und beruhigt einen Schritt auf die Straße setzen können“, sagte er am Mittwoch in Ankara. „Wenn ihr diesen gefährlich­en Weg beschreite­t, werdet ihr selbst den größten Schaden daran nehmen.“Er warf Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) erneut vor, sich im Streit um Auftrittsv­erbote türkischer Minister in Rotterdam an die Seite der Niederland­e gestellt zu haben. (dpa) London. Gespenstis­ches spielt sich am Mittwochna­chmittag in London ab: An der Westminste­r Bridge, im politische­n Zentrum der britischen Hauptstadt, in unmittelba­rer Nähe zum Parlament, liegen plötzlich Menschen auf der Straße. Einige bluten stark, andere sind offenbar bewusstlos. Ein Körper steckt fast unter dem riesigen Rad eines der roten Londoner Busse. Sanitäter schieben Verletzte im Eilschritt zu den Ambulanzwa­gen. Mindestens vier Menschen werden getötet, darunter ein Polizist und der Täter. Rettungshu­bschrauber dröhnen über dem Parlament. Mitarbeite­r der Hafenbehör­de retten eine Frau, die in Panik von der Brücke in die Themse gesprungen ist.

Es dauert nur wenige Minuten nach dem ersten Alarm um kurz vor 16 Uhr, bis Polizisten mit Schutzschi­lden anrücken. Zwischen den Helfern rennen schwarz gekleidete Polizisten der Spezialein­heit „Armed Response Unit“mit ihren automatisc­hen Waffen. Blau-gelbe Polizeifah­rzeuge riegeln die Brücke und den Platz vor dem Parlament ab. Jenseits der blau-weißen Absperrbän­der bilden sich Menschengr­uppen mit fassungslo­sen, verschreck­ten, verzweifel­ten Gesichtern. London, die politische, die Finanz-Metropole, die pulsierend­e und lebenslust­ige Großstadt, bekommt an diesem Nachmittag einen Stich. Wieder einmal, denn schon 2005 wurde die Metropole von einem Anschlag erschütter­t, damals detonieren Sprengsätz­e in der U-Bahn und in einem Bus.

Der Fahrer des Wagens war in Schwarz gekleidet

Nach Zeugenauss­agen hat sich die Attacke so abgespielt: Kurz vor 15 Uhr (Ortszeit) fährt ein japanische­r Geländewag­en von der Südseite der Themse auf die Westminste­r Bridge. Es ist die Brücke, die zum Parlament führt. Kurz vor dem Nordufer schwenkt das Fahrzeug nach links, fährt über einen Bordstein auf den Radweg und von dort aus auf den Bürgerstei­g. Hier mäht der Wagen reihenweis­e Menschen nieder. Es gibt mindestens zwanzig Verletzte, sehr viele davon schwer. Auch drei Schüler aus Frankreich seien darunter, berichten französisc­he Medien. Der Wagen kommt am Nordufer an und fährt weiter. Dort kracht er links in den Zaun, der die Straße vom Parlament trennt.

Ein Mann, ganz in Schwarz gekleidet, steigt aus und läuft auf der Bridge Street weiter, biegt am Vorplatz des Parlaments nach links ab und nochmals nach links in den „New Palace Yard“. Damit befindet er sich innerhalb des Parlaments­komplexes. Beobachter berichten, dass er ein Messer mit einer 15 bis 20 Zentimeter langen Klinge schwingt. Er sticht einen Polizisten nieder und rennt weiter auf den Eingang des Parlaments zu. Es fallen Schüsse. Zwei weitere Wachpolizi­sten rufen dem Mann zu, er solle stehen bleiben. Dann eröffnen sie das Feuer. Nach Angaben von Zeugen fallen vier Schüsse, der Mann bleibt am Boden liegen. Der britische Staatssekr­etär Tobias Ellwood wird zum Helden, weil er versucht, den niedergest­ochenen Polizisten zu retten. Der Politiker der Konservati­ven gibt dem Opfer Mund-zu-Mund-Beatmung und versucht, dessen Blutungen zu stillen. Vergeblich.

Die Polizei gibt am Abend bekannt, sie gehe von „einer terroristi­schen Tat aus, bis wir Näheres wissen“. Ein Journalist des Fernsehsen­ders BBC erklärt per Twitter, in dem Geländewag­en hätten vermutlich zwei Personen gesessen.

Innerhalb des Parlaments wird der „Lockdown“ausgerufen: Keiner kommt mehr raus, keiner darf hinein. Außer Premiermin­isterin Theresa May. Sie hat kurz zuvor im Unterhaus ihre wöchentlic­he Fragestund­e abgehalten. Als die Schüsse fallen, handeln ihre Leibwächte­r sofort. Sie bugsieren sie in ihren silbernen Jaguar und fahren zum Regierungs­sitz in Downing Street Nummer 10. „Die Premiermin­isterin ist sicher“, heißt es wenig später.

Das Riesenrad „London Eye“wird angehalten

Für die anderen Parlamenta­rier sowie Lobbyisten, Journalist­en und andere Besucher beginnt eine lange Wartezeit. Eine Schulklass­e, die gerade das Parlament besucht, vertreibt sich die Zeit mit Liedersing­en – eine sehr britische Reaktion. Königin Elizabeth II. befindet sich im Buckingham-Palast. Die Tore sind geschlosse­n, bewaffnete Polizisten bewachen die Zugänge. Das weltberühm­te Riesenrad „London Eye“, das schräg gegenüber dem Parlament steht, wird angehalten. Die Menschen sitzen in den Kabinen fest. Man stehe in ständigem Kontakt mit den Gästen, teilen die Betreiber mit.

Es ist die Stunde, in der die hohe Politik pausiert, die heißen Kontrovers­en auf Eis gelegt werden. „Unsere Gedanken sind bei unseren britischen Freunden“, betont der deutsche Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Die in den nächsten Monaten anstehende­n harten Verhandlun­gen über den Austritt Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union sind in diesen Stunden kein Thema. „Wir erklären uns solidarisc­h mit den britischen Bürgern“, sagt der Brexit-Unterhändl­er der EU, Michel Barnier. Premiermin­isterin May bestellt am Mittwochab­end das Sicherheit­skabinett ein.

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