Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Von der Regierung enttäuscht

Thüringens Aufarbeitu­ngsbeauftr­agter Christian Dietrich kritisiert Landesregi­erung für Wahlverspr­echen

- Von Christian Thiele

Jena. Viele Opfer von DDR-Unrecht sind nach Ansicht von Thüringens Aufarbeitu­ngsbeauftr­agtem Christian Dietrich von der Arbeit der Landesregi­erung enttäuscht. „Enttäuscht sind auf jeden Fall die Zwangsausg­esiedelten, die dachten, es gibt eine Entschädig­ung“, sagte der Landesbeau­ftragte.

Das sei ihnen versproche­n worden, sogar vor dem Landtag. „Ich fand das von Anfang an nicht realistisc­h“, sagte Dietrich. „Was nützt ein Wahlverspr­echen, das sich am Ende in Wohlgefall­en auflöst.“Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) hatte auf eine bessere Entschädig­ung von Zwangsausg­esiedelten auf früherem DDR-Grenzgebie­t gedrungen und dazu eine Bundesrats­initiative ins Gespräch gebracht.

Aus Sicht von Dietrich kann die rot-rot-grüne Landesregi­erung bei der Aufarbeitu­ng noch keine nennenswer­ten Erfolge vorweisen. Zweieinhal­b Jahre Regierungs­zeit seien zwar nicht viel. „Aber was ist denn wirklich gemacht worden? Hohe Erwartunge­n erzeugen tiefe Fallhöhen“, sagte der Landesbeau­ftragte. Der Rechtsstaa­t lebe davon, dass es so etwas wie eine Vertrauens­kultur gebe. „Wenn es um die DDR geht, so ist oft eine Tabu-Zone zu spüren.“Zugleich kritisiert­e Dietrich, es werde in der rot-rot-grünen Koalition zu wenig über die Aufarbeitu­ng der DDR-Vergangenh­eit gesprochen. „Wir haben vor Eintritt in die Regierung mehr debattiert.“Es werde viel unter dem Deckel gehalten.

„Es gibt viel Angst, dass man etwas falsch machen könnte, deshalb wird sich um die Auseinande­rsetzung gedrückt“, erklärte Dietrich. Er appelliert­e zudem, mehr Mittel in die Aufarbeitu­ng zu stecken: „Wenn ich etwas erreichen möchte, muss ich auch investiere­n. Lehramtsst­udenten sind da nicht die Lösung.“Die Staatskanz­lei hatte eine Studie in Auftrag gegeben, um auszuloten, welche Möglichkei­ten es gibt, damit mehr Akten aus der DDR in den Thüringer Archiven aufgearbei­tet werden können. Demnach sollen vor allem Lehramtsst­udenten der Universitä­ten Erfurt und Jena mehr zur DDR forschen.

Die Landesregi­erung erhofft sich davon, dass sie dann später als Lehrer im Unterricht die DDR häufiger thematisie­ren als es bislang der Fall ist.

Nach Auffassung von Dietrich sollte stärker darauf geachtet werden, dass weniger Geschichts­unterricht an den Schulen ausfällt. „Pädagogik braucht Zeit. Ausfälle gefährden diese Prozesse.“Lehrer müssten sich Zeit für die DDR im Unterricht nehmen können.

„Es reicht nicht, anderthalb Stunden in eine Gedenkstät­te zu fahren. Es braucht auch eine Vor- und Nachbereit­ung“, gab er zu bedenken.

Die Landesregi­erung hat derweil den Vorwurf zurückgewi­esen, zu wenig für die Aufarbeitu­ng von DDR-Unrecht zu tun. Zwar sei nicht auszuschli­eßen, dass sich einzelne Menschen aufgrund ihrer Vita enttäuscht fühlten, doch habe Rot-RotGrün schon einiges auf den Weg gebracht, sagte die für Aufarbeitu­ng zuständige Staatssekr­etärin Babette Winter.

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