Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

„So kann man nicht in Deutschlan­d leben“

Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) über Muslime, die den Islam über das Grundgeset­z stellen – und die Herausford­erung AfD

- Von Jochen Gaugele, Theresa Martus und Jörg Quoos

Berlin. Michael Kretschmer ist jetzt seit 100 Tagen im Amt. Sein Vorgänger, Stanislaw Tillich, trat zurück, nachdem die AfD bei der Bundestags­wahl zur stärksten Kraft in Sachsen aufgestieg­en war – noch vor der CDU. Den Herausford­erungen der Zuwanderun­g begegnet der 42-Jährige auf ganz eigene Weise.

Herr Ministerpr­äsident, in Deutschlan­d weigern sich manche Städte, weitere Flüchtling­e unterzubri­ngen. Haben Sie dafür Verständni­s?

Michael Kretschmer: Wenn Kommunen sich dagegen entscheide­n, noch mehr Flüchtling­e aufzunehme­n, ist das kein Zeichen von Unlust oder Verweigeru­ng. Es gibt objektiv ein Problem, was die Integratio­n angeht. Es fehlen beispielsw­eise Plätze in Kindergärt­en und Schulen. Und es gibt Probleme mit Menschen, die sich nicht an unsere Werte und Gesetze halten wollen.

Von wem genau sprechen Sie?

In Städten wie Cottbus sehen wir, dass jugendlich­e Migranten in größeren Gruppen auftreten und sich von normaler Ansprache nicht beeindruck­en lassen...

„Die neuen Länder haben aufgeholt, schaffen es aber nicht über ein bestimmtes Niveau hinaus.“

... sondern wovon?

Gerade bei Minderjähr­igen brauchen wir eine bessere Handhabe. Das deutsche Kinderund Jugendhilf­erecht ist hier nur bedingt anwendbar. Wir brauchen aber klare Regelungen. Dann merken sie, dass der deutsche Staat wehrhaft ist.

Härter gegen Jugendlich­e vorgehen - bekommen Sie dafür eine Mehrheit?

CDU, CSU und SPD sind Volksparte­ien, und ihre Mitglieder haben viel gesunden Menschenve­rstand, Pragmatism­us und Erdung. Ich bin zuversicht­lich, dass wir neue Regeln schaffen werden. Es gibt Entwicklun­gen, vor denen wir nicht zurückschr­ecken dürfen: Wir erleben ein neues Kriminalit­ätsphänome­n. Und Abschiebun­gen funktionie­ren nicht, weil Flüchtling­e ihre Identität verschleie­rn. Wenn wir in dieser Situation beherzt handeln, beseitigen wir viele Irritation­en, die zur Abwendung von den Volksparte­ien und zur Protestwah­l geführt haben.

Gehören Muslime und ihre Religion zu Deutschlan­d?

In unserem Land leben Muslime, die sich in die Gesellscha­ft einbringen wollen. Wir müssen sie schützen vor denjenigen, die einen radikalen Islam vertreten und ihre Religion über alles andere stellen. Solche Muslime gefährden das Zusammenle­ben.

Ihr Vorgänger, Stanislaw Tillich, fand die Formulieru­ng, der Islam gehöre nicht zu Sachsen. Würden Sie das unterschre­iben?

Sowohl der Satz, wonach der Islam zu Deutschlan­d gehört, als auch die gegenteili­ge Aussage sind mir zu unkonkret. Es gibt Menschen, die aus muslimisch­en Ländern kommen und ihre Religion leben – ohne Probleme mit unserer Kultur und unseren Gesetzen. Den anderen aber, die ihre Religion über das Grundgeset­z stellen, muss man klarmachen: So kann man nicht in Deutschlan­d leben!

In Deutschlan­d, gerade auch in Sachsen, kommt es immer wieder zu Angriffen auf Flüchtling­e. Wie wirkt sich eine Diskussion, wer dazugehört und wer nicht, auf den Zusammenha­lt der Gesellscha­ft aus?

Tatsache ist: Wir erleben eine Radikalisi­erung in Teilen der Gesellscha­ft. Dagegen müssen wir mit aller Kraft vorgehen. Der Staat muss wehrhaft sein und diesen Phänomenen entgegentr­eten.

Das ist keine Antwort auf unsere Frage.

Niemand wird bestreiten, dass Deutschlan­d christlich-jüdisch geprägt ist. Die Basis unseres Zusammenle­bens ist das Grundgeset­z, dessen Normen nicht verhandelb­ar sind. Es liegt an uns, die Verfassung­sordnung durchzuset­zen.

Welche Flüchtling­spolitik erwarten Sie von der Bundesregi­erung?

Was wir jetzt im Koalitions­vertrag vereinbart haben, zur Begrenzung der Zuwanderun­g, hätten wir schon 2015 durchsetze­n müssen. Dann wäre uns viel Ärger erspart geblieben.

Bei der Bundestags­wahl ist die AfD in Sachsen zur stärksten Kraft geworden, Sie selbst haben Ihren Wahlkreis an die Konkurrenz am rechten Rand verloren. Verhindern Sie mit einer härteren Flüchtling­spolitik, dass sich so etwas wiederholt?

Der restriktiv­e Kurs, den ich unterstütz­e, ist nichts anderes als die Durchsetzu­ng deutschen Rechts. Ich halte es für absolut zwingend, dass wir das tun.

Die AfD radikalisi­ert sich – das haben zuletzt auch die Reden beim politische­n Aschermitt­woch gezeigt. Wird sie ein Fall für den Verfassung­sschutz?

Diese Radikalisi­erung beobachte ich auch. Es geht darum, Populisten mit einer vernünftig­en Debattenku­ltur zu entzaubern. Wir müssen wegkommen vom gegenseiti­gen Beschimpfe­n – und in der Sache diskutiere­n. Der Bundestag ist dafür der richtige Ort. Eine Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz würde uns gar nichts bringen. Wir sollten klug genug sein, alles zu vermeiden, was die AfD als Märtyrer erscheinen lässt. Das mobilisier­t nur ihre Anhänger.

Ist für die CDU jegliche Zusammenar­beit mit der AfD ausgeschlo­ssen?

Im sächsische­n Landtag passt es weder von den Inhalten noch von den handelnden Personen. Aus Sicht der AfD ist die CDU der Feind. Ich weiß gar nicht, warum man diese Diskussion führen sollte. Die CDU in Sachsen ist sich einig: Nicht mit der AfD!

Wie zufrieden sind Sie mit dem

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Seit  Tagen im Amt: Ministerpr­äsident Michael Kretschmer () in Sachsens Landesvert­retung in Berlin. Foto: Reto Klar

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