Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Zwischen Kaiserreic­h und Republik

Als Konservati­ver war Clemens von Delbrück einer der Väter der Weimarer Verfassung. Die Unibibliot­hek Jena widmet ihm eine Ausstellun­g

- Von Hanno Müller

Jena. Man kennt ihn heute kaum noch. Für die Geschichte des späten Kaiserreic­hes und für die Gründung der Weimarer Republik ist Clemens von Delbrück (1856 bis 1921) jedoch eine der Schlüsself­iguren. Anders als andere Konservati­ve lehnt der Mitbegründ­er der rechtsgeri­chteten Deutschnat­ionalen Volksparte­i (DNVP) die neue Ordnung nach dem Ersten Weltkrieg nicht von vorneherei­n ab. Statt dessen wirbt er für eine Politik, die sich aktiv in die Nationalve­rsammlung einbringt.

Die Universitä­ts- und Landesbibl­iothek Jena (ThULB) widmet Delbrück jetzt eine Ausstellun­g, die sowohl den Verästelun­gen sowohl seiner einflussre­ichen Familie nachgeht als auch sein politische­s Wirken würdigt. Möglich wird dies nicht zuletzt durch ein mehrjährig­es, von der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft geförderte­s Projekt zur Aufarbeitu­ng seines Nachlasses, der nach dem Tod Delbrücks 1921 in den Bestand der Unibibliot­hek überging. Im Internet können unter projekte.thulb.uni-jena.de/delbrueck Tausende Dokumente, Korrespond­enzen und Fotos abgerufen werden. Verfügbar sei somit eine der wichtigste­n personenbe­zogenen Quellensam­mlungen zur deutschen Innenpolit­ik der Jahre 1890–1921, sagt der Jenaer Projektwis­senschaftl­er Dr. Uwe Dathe, der auch die Ausstellun­g kuratiert hat.

Mitglieder der Familie Delbrück haben im 19. und 20. Jahrhunder­t hohe Ämter in Politik, Verwaltung, Justiz, Wirtschaft, Publizisti­k und Wissenscha­ft inne. Ferdinand Delbrück (1772–1848), ein Großonkel, berät das preußische Königshaus. Onkel Adelbert Delbrück (1822–1890) gründet die Deutsche Bank, sein Sohn Ludwig sitzt im Aufsichtsr­at bei Krupp und ist Privatbank­ier von Kaiser Wilhelm II. Max Delbrück (1906–1981), Sohn von Cousin Hans Delbrück (1848–1929), erhält für seine Arbeiten zur Genetik 1969 den Nobelpreis für Medizin.

Clemens wird als Sohn des Kreisphysi­kus und Geheimen Medizinalr­ates Ernst Delbrück 1856 in Halle geboren. Nach dem Studium der Rechtswiss­enschaften tritt er in den preußische Verwaltung ein und wird schließlic­h Bürgermeis­ter von Danzig. Schon hier erweist er sich als rühriger Reformer, der den Hafen ausbauen lässt und die Gründung einer Technische­n Hochschule anstößt. Über mehrere Stationen landet er als Staatssekr­etär im Reichsamt des Inneren und ist damit ranghöchst­er Innenpolit­iker des Reiches.

Zwar versteht sich Delbrück als konservati­ver Monarchist. Für den Ersten Weltkrieg entwirft er das Programm zur wirtschaft­lichen Mobilmachu­ng Deutschlan­ds und organisier­t die Kriegswirt­schaft. Daneben zeigt die Ausstellun­g aber auch, wie seine sozialpoli­tischen Initiative­n, sein pragmatisc­her Umgang mit der SPD, seinen Reformüber­legungen zu Dreiklasse­nwahlrecht und Parlamenta­rismus oder seine Kritik an der Heeresleit­ung oft zu Konflikten mit den Konservati­ven führen 1916 wird er aus allen Ämtern entlassen.

Als nach Kriegsende im Reichsamt des Inneren unter Leitung von Hugo Preuß (1860–1925) ein neuer Verfassung­sentwurf vorbereite­t wird, wirbt Preuß um die Teilnahme Delbrücks. Den gegenseiti­gen Respekt belegt die ausgestell­te Korrespond­enz. Delbrück wird für die DNVP in die Nationalve­rsammlung gewählt und von seiner Fraktion in den Verfassung­sausschuss entsandt. Dort wird er einer der Väter des Verfassung­swerkes. Die abgebildet­en Zeichnunge­n von Hans Alexander Müller entstehen in den Sitzungspa­usen.

Seit Sommer 1916 lebt Clemens von Delbrück in Jena. Er übernimmt einen Lehrauftra­g für Politik an der und wird Vorstand des Kriegsarch­ives der Universitä­t Jena, dass allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg größtentei­ls von den Russen vernichtet wird. 1920 tritt er als Abgeordnet­er in den ersten Reichstag der Weimarer Republik ein. Unterstütz­ung dafür kommt von einer Gruppe stiller Vernunftre­publik innerhalb der DNVP, die Delbrück auf die Thüringer Wahlliste setzt, so die Ausstellun­g. Konflikte mit der eigenen Partei seien weitaushäu­figer gewesen als mit die mit der politische­n Konkurrenz, so die Ausstellun­g. Eine Notiz aus dem Tagebuch des Jenaer Historiker­s Alexander Cartellier­i (1867–1955) belegt Delbrücks sachliches politische­s Handeln.

■ Die Ausstellun­g ist im Foyer der ThULB Jena jeweils Montag bis Freitag von  bis  Uhr und samstags von - Uhr zu sehen.

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Die komplette Fraktion der konservati­ven Deutschnat­ionalen Volksparte­i in der Weimarer Nationalve­rsammlung . Clemens von Delbrück sitzt in der ersten Reihe (. von rechts). Von seiner Fraktion wird er in den Verfassung­sausschuss entsandt, wo er...
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Mitarbeite­r des Verfassung­swerkes, gezeichnet von Hans Alexander Müller, mit C. v. Delbrück (. Reihe links).
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Clemens von Delbrück als Innenpolit­iker, vor . Fotos (): ThULB

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