Das Ende von ISDN
2018 schaltet die Telekom das ISDN-Netz ab. Wer weiß, was zu tun ist, vermeidet Probleme beim Umstieg auf VoIP.
Die besten Alternativen für Ihre Firma
A ls die Deutsche Bundespost 1989 mit ISDN of ziell an den Start ging, war sie europäische Vorreiterin der neuen digitalen Technik. Mindestens zwei und bis zu dreißig Duplexkanäle gleichzeitig, dazu tadellose Sprachqualität und dramatische 64 Kilobit Datenübertragungsrate pro Kanal im Up- und Downstream mit Bündelungsmöglichkeit waren damals State of the Art. Heute, knapp dreißig Jahre später, ist die einstige Top-Technik vom Aussterben bedroht, denn die Telekom hat angekündigt, alle Anschlüsse bis Ende 2018 abzuschalten. Vodafone möchte Unternehmenskunden ISDN immerhin noch bis 2022 anbieten, aber auch hier tickt die Uhr. Viele Firmen und Privatanwender haben in den letzten Jahren noch in teures ISDN-Equipment investiert und befürchten nun neue hohe Investitionen, von technischen Problemen ganz zu schweigen. Mit den richtigen Maßnahmen gelingt der Umstieg jedoch und bringt gerade in Unternehmen sogar etliche Vorteile.
Nur noch eine Frage der Zeit
Theoretisch könnten die Anbieter ihre ISDN-Vermittlungsstellen auf unbestimmte Zeit weiterbetreiben. Das würde aber früher oder später ohnehin daran scheitern, dass für die veraltete Technik schon lange keine Ersatzteile mehr produziert werden und es überdies immer weniger Spezialisten gibt, die sich damit auskennen. Eigentlich wird das Netz ja auch nicht mehr benötigt. Daten werden mithilfe moderner Techniken wie DSL wesentlich schneller übertragen, und Telefonate sind mittels Voice over IP (VoIP) und des Protokolls SIP (Session Initiation Protokol) ebenfalls über das Internet mög- lich. Allerdings existieren immer noch zahlreiche Alarmanlagen, Kassensysteme und dergleichen, die auf die Datenübertragung via ISDN angewiesen sind. Und nicht zuletzt gibt es das gute alte Fax, welches nach wie vor oft verwendet wird, beispielsweise im rechtssicheren Schriftverkehr. Mit etwas Zusatztechnik ist es möglich, vorhandene Endgeräte im neuen All-IPNetz weiterzuverwenden. Die Telefonge- sellschaften bieten zu ihren Verträgen in der Regel VoIP-Router zur Miete oder zum Kauf an, die neben Anschlüssen für analoge Telefone und Faxgeräte auch einen eingebauten S0-Bus besitzen. Dieser verschafft ISDN-Geräten und -Telefonanlagen Zugang zum IP-Netz. Werden dieselben Rufnummern genutzt, muss dann nicht einmal die Kon guration der Geräte verändert werden. Es lässt sich jedoch auch ein eigenes Gerät am Anschluss des Netzbetreibers verwenden. ISDN-fähig für das Heimnetz sind dabei nur die teureren Router wie die Fritzbox 7490 für 190 Euro. Diese bietet dann aber zusätzlich noch WLAN AC, zwei Analoganschlüsse und zahlreiche weitere Features. Geht es nur um den Betrieb eines analogen Gerätes, genügen günstigere Modelle wie die Fritzbox 7430 für 90 Euro. Steht nur ein Router ohne Analoganschluss zur Verfügung, kann ein VoIP-Adapter helfen. Dafür eignet sich beispielsweise der Grandstream HandyTone HT701, den es für rund 40 Euro zu kaufen gibt. Die beiden oben genannten und diverse andere Routermodelle beinhalten außerdem eine DECT-Telefonanlage, an welche vorhandene DECT-Mobilteile direkt angebunden werden können. Für kleinere Unternehmen eignen sich je nach Anwendungsbereich Geräte wie die Lancom Business-VoIP-Router 883 VoIP und 884 VoIP für jeweils rund 450 Euro oder die be.IP-Router von Bintec Elemeg, die für rund 200 Euro bzw. 300 Euro in der Plus-Variante erhältlich sind. Sie unterstützen unter anderem das Clearmode-Protokoll für ISDNDatenanwendungen, wodurch Geräte wie Zahlungsterminals weiterbetrieben werden können. Wichtig ist, vor dem Kauf eines Routers zu klären, ob dieser auch mit dem gebuchten Anschluss zusammenarbeitet.
Sorgenkind analoges Faxgerät
Der Weiterbetrieb analoger Faxgeräte am VoIP-Anschluss bietet den größten Anlass zur Sorge, denn hier kommt es in den meis-
Blütezeit ISDN: des Deutsche 1988 widmete die Post der damaligen TopSondermarke. Technik eine
ten Fällen zu Problemen. Das liegt daran, dass normale VoIP-Gateways Fax-Signale wie Sprache behandeln und sie in winzige Häppchen zerlegen, die sie als Pakete durchs Netz schicken. Der Transport wird nicht abgesichert, und es kann zu Paketverlusten und Laufzeitschwankungen kommen. Beim Telefonieren führt das kaum zu Nachteilen, doch die Faxübertragung bricht dann einfach ab. Leistungsfähigere Gateways erkennen immerhin das Faxsignal und teilen der Übertragung mehr Bandbreite zu, was die Probleme verringert. Die sicherste Faxübertragung bietet das T.38-Protokoll, das Paketausfälle verhindert, aber nur von wenigen Anbietern, wie etwa 1&1 und Dus.net, angeboten wird. Voraussetzung für die Nutzung ist, dass der VoIP-Router ebenfalls T.38 unterstützt. Ist das der Fall, muss es aktiviert werden. Bei Fritzboxen ndet sich der Menüpunkt beispielsweise unter Telefonie/Eigene Rufnummern/Anschlusseinstellungen. Dort lässt sich im Abschnitt Sprachpakete die Option Faxübertragung auch mit T.38 auswählen. Manche Hersteller bezeichnen die Funktion ebenfalls als Fax over VoIP. Wer Probleme mit der Faxübertragung hat, kann zudem auf einen Fax2Mail-Dienst zugreifen, der ein per E-Mail erhaltenes PDF-Dokument per Fax versendet. Für den Faxempfang wird dem Kunden eine eigene Rufnummer zugewiesen, eingetroffene Dokumente erhält er ebenfalls per Mail.
Der Nachfolger: Umstieg auf VoIP im Unternehmen
Auch wenn es zunächst vorteilhaft erscheint, vorhandene ISDN-Telefonanlagen im Unternehmen einfach weiterzubetreiben, kann es keine dauerhafte Lösung sein. Ersatzteile, Systemtelefone und Erweiterungskomponenten sind oft nicht mehr, zumindest aber nicht mehr lange erhältlich, und veraltete Anlagen können nicht mehr durch neue ersetzt werden. Der Umstieg auf VoIP führt zu diversen Vorteilen. So lassen sich in einem bestehenden LAN an jeder Stelle IP-Telefone einsetzen. Mitarbeiter melden sich zudem bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes einfach mit ihrer persönlichen Rufnummer am dortigen Apparat an. Sind Zweigstellen angeschlossen, reduziert sich der technische und damit auch der Verwaltungsaufwand erheblich, da deren Anbindung über das Datennetz erfolgt. Es wird nur noch eine TK-Anlage in der Firmenzentrale mit Anbindung an den sogenannten SIP-Trunk des Telefonanbieters benötigt.
Virtuell statt alles selbst
Für die IP-Telefonie ist es aber gar nicht mehr nötig, eine eigene Telefonanlage zu unterhalten. Da jedes Telefonat über das Breitbandnetz läuft, kann sich jene auch bei einem sogenannten IP-Centrex-Anbieter im Internet be nden. Eine solche virtuelle Anlage verursacht zunächst einmal keinerlei Wartungsaufwand. Zudem ist es unwichtig, wo sich die angebundenen Apparate be nden. Mitarbeiter sind stets über die Geschäftsdurchwahl erreichbar, egal ob sie sich in der Firma oder im Home-Of ce aufhalten. Dabei muss nicht überall ein herkömmliches Telefon zum Einsatz kommen, denn alle Anbieter haben ein Softphone im Programm. Sogar Smartphones sind per App oder SIP-Client einsetzbar. Die Kon guration der Anlagen erfolgt über ein Web-Frontend. Dort lassen sich Nebenstellen jederzeit hinzufügen oder abmelden, und es können beliebig viele Durchwahlnummern eingerichtet werden. Viele IP-Centrex-Firmen locken außerdem mit günstigen Tarifen und kurzen Vertragslaufzeiten von meist nur einem Monat.
Sanfter Übergang ins neue Zeitalter
Besitzt die ISDN-Telefonanlage eine oder mehrere freie S0- oder S2M-Schnittstellen, lassen sich beide Systeme oft auch erst einmal parallel betreiben. Werden bei der Umstellung zunächst die ausgehenden Telefonate über das IP-Netz geführt, ist bei einem Ausfall desselben zumindest die Erreichbarkeit des Unternehmens über das gute alte ISDN gewährleistet. whs